Das Dörfchen Tegel und die Ausflüge der Berliner im 19. Jahrhundert

Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts war Tegel ein bei vielen Berlinern beliebtes Ausflugsziel. Das Lexicon von Berlin und der umliegenden Gegend, 1806 von Johann Christian Gädicke als „Handbuch für Einheimische und Fremde“ herausgegeben, führt aus:

Tegel, Dorf 1 ½ Meilen von Berlin, im Niederbarnimschen Kreise, an der Landstraße nach Hamburg, mit 22 Feuerstellen und 124 Menschen. In dem hiesigen Forstreviere sind sehr viele fremde Holzarten von dem bekannten Forstrathe von Burgsdorf angelegt worden. Dabey ist ein Landhaus, das Schlößchen genannt, mit 7 Feuerstellen und 95 Menschen.
Der Weg von Berlin nach Tegel war zu dieser Zeit aber alles andere als angenehm zu befahren. In seiner „Reise von Berlin nach Kyritz“, 1779 von Anton Friedrich Büsching unternommen, schrieb dieser u. a.: „Wenn man aus demselben (gemeint war das Oranienburger Tor) herauskommt, hebt sich ein beschwerlicher, tiefsandiger Weg an, der die Menschen und das Vieh zu langsamen Schritten veranlaßt. Der Sand um Berlin ist staubartig …

Zwar wurde 1800 oder 1801 vom Oranienburger Tor ausgehend mit dem Bau einer Chaussee begonnen. Die Ausführung der Arbeiten erfolgte aber so schleppend, dass 1802 ein Befehl erteilt werden musste, den Bau vom ¾ Meilenstein an bis zum ganzen Meilensteine zu verlängern. Wohl 1802 oder 1803 war dann die Tegeler Chaussee fertig gestellt. Doch sie hatte ihrer Planung entsprechend nur eine Länge von 1 Meile (rund 7532 m) und endete dort, wo heute die Scharnweberstr. in die Seidelstr. übergeht.

Kremserfahrt

Eine Kremserfahrt nach Tegel? Überliefert ist dies nicht. Die Abbildung vermittelt aber einen Eindruck, wie wohl Kremser um 1830 aussahen. Zeichnung: Adolf Schroedter im Auftrag des Märkischen Museums um 1910.

Wer 1843 mit einer zweispännigen Droschke von Berlin nach Tegel fuhr, musste für die Hinfahrt 2 Taler bezahlen. Dabei war es ohne Bedeutung, wie viel Personen mitfuhren. Für die Hin- und Rückfahrt waren es 2 Taler 10 Silbergroschen, wenn der Kutscher nicht länger als eine halbe Stunde auf die Rückfahrt warten musste. 3 Taler waren fällig, wenn ein längerer Aufenthalt erfolgte, bei einer Vormittagsfahrt aber nicht über 12 Uhr mittags und bei einer Nachmittagsfahrt nicht über 12 Uhr nachts hinaus. Längere Fahrten waren frei zu vereinbaren. Das an den Hebestellen zu entrichtende Chausseegeld trug der Droschkenkutscher.

In Richtung Tegel und Hennigsdorf war nach dem Verlassen der Chaussee über mehrere Jahrzehnte die Beschaffenheit des Weges weiter so, wie sie Büsching beschrieb. Am 24.8.1844 schrieb der Preuß. Staats- und Kabinettsminister Heinrich von Bülow zu Tegel einen Brief an den Finanzminister Flottwell, in dem er sich über den eine ½ Meile langen Sandweg vom Ende der Chaussee zum Schlößchen Tegel beschwerte. Er verwies auf Sommer-Sonnentage, an denen sich wohl 100 Fuhrwerke „durch den Kraft und Zeit raubenden Sand“ schlugen. Immerhin unterrichte Flottwell daraufhin mit Schreiben v. 20.10.1844 des Königs Majestät über die Angelegenheit und erhielt von diesem die Autorisierung zur Aufnahme von 12.000 Talern für einen Chaussee-Neubau.
Im Dezember 1845 wurde endlich mit der Chaussierung der Wegstrecke über den bisherigen Endpunkt hinaus in Richtung Tegel begonnen. Über die zu verlängernde Chaussee schrieb Ludwig Rellstab am 8.5.1846 in der „Königlich privilegirten Berlinischen Zeitung“ einen kritischen Artikel. Rellstab (*13.4.1799, + 27.11.1860) war Leutnant a. D., Theaterkritiker, Dichter und Schriftsteller. In den Tagen um die Ereignisse des 18.3.1848 gehörte er am 19. und 20.3 zu jenen Personen, die in Audienzen bei König Friedrich Wilhelm IV. (erfolglos) zwischen Militär und Bürgern vermitteln wollten. Als Hauptmitarbeiter der Vossischen Zeitungs-Expedition wohnte Rellstab in der Breitestr. 8 und damit direkt im Hause des Verlages. Er brachte im genannten Zeitungsartikel zum Ausdruck, dass er die Chaussee nach Tegel aus „Privat-Eigensinn“ nicht wünschte. Er schrieb, dass der Bau nur so schleichen würde. Die 6-7 Arbeiter täten sich auf der Baustelle nur ausruhen. Dabei würde sich Berlin ein Eröffnungsfest des neuen Weges ins Grüne am ersten Pfingstfeiertag wünschen.

Ober-Wegebau-Inspektor Horn bemerkte hierzu intern, dass die Steindecke der Fahrbahn schon seit Mai 1846 in ganzer Ausdehnung benutzt werden konnte. Eine öffentliche Stellungnahme zu Rellstabs Kritik wurde aber unterlassen, um die Preise für weitere Steinbeschaffungen nicht in die Höhe zu treiben.

Verwunderlich war, wie Rellstab später seine Meinung über die Chaussee nach Tegel vollständig änderte. In der Ausgabe v. 24.5.1849 der bereits oben genannten Zeitung schrieb er:

Zum Sonntags-, zum Pfingstausflug!
Wir haben den Lesern sonst und in letzter Zeit mancherlei Schönes geschildert, was zu weiteren Reiseausflügen, nach Dresden z. B. anreizt. Doch auch die Nähe bietet uns des neuen Anmuthigen Manches, und wem seine Decke nicht gestattet, sich bis zur Elbe zu strecken, dem erlaubt sie´s vielleicht bis zur Havel. Die Chaussee nach Tegel nämlich ist seit vorigem Sommer fortgesetzt, bis zur Havel, nach Hennigsdorf. Auch eine Errungenschaft des März, eine bittre und eine süße zugleich. Bitter da sie nur gebaut wurde, um Arbeit zu schaffen, die viele Übermüthige nicht einmal thun mochten, andere aber trotz der härtesten Anstrengung dankbar annahmen. An diesem Werke haben Männer gearbeitet, die schwerlich jemals gedacht, mit dem Spaten in der Hand ihren mühsamen Tageslohn zu verdienen; Weber, Uhrmacher, Goldarbeiter, selbst Künstler! Das war der bittre Teil der Errungenschaft. Der süße, d. h. der schöne, kommt uns jetzt zu gute. Die Chaussee zieht sich nicht steif geradlinigt, sondern frei geschwungen durch den Wald. Es hat sich hier Manches geändert. Die alte Schneidemühle ist in eine prachtvolle Dampfmühle umgewandelt, neben der als Wohngebäude ein wahres Schloß im jetzt so beliebten Castellstil emporragt. Von hier ab beginnt der neue Weg, mit sorgfältiger Sauberkeit angelegt. Er ist an beiden Seiten mit Bäumen besetzt, trotz des herrlichen Waldes, durch welchen er sich zieht, und der auf dieser Strecke, nach Schulzendorf hin, das schönste Laubholz, Buchen, Birken, Kastanien im Wechsel mit der Kiefer darbietet. Wir sahen nie den Wald frischer, grüner, als in diesem Frühling, zumal jetzt da auch Alles blüht. Im Tegelschen Garten, dem Tusculum unserer Dioskuren der Wissenschaft, ist es der Flieder, der sich mit den reizendsten Blüthenhüllen schmückt. Draußen prangen die alten hochstämmigen Kastanien in Überfülle der Blüthensträuße. Die neue Chaussee durchschneidet Anhöhen, auf beiden Seiten grün terrassirt. Die Gräben selbst sind grün, und mit einem dichtblühenden Teppich von Erdbeerpflanzen bedeckt. Im Busch läßt sich die Nachtigall, im freien Raum die Lerche hören. Aus dem tiefen Wald ertönt der eigenthümliche Ruf des Wiedehopf. Die Höhen vor Schulzendorf bedecken sich mit dem saftigsten Grün des blühenden Preißel- und Blaubeerenkrauts. Eine lange Reihe von Ebereschen steht auch in der vollsten Blüthe und sendet uns ihren Bittelmandelduft zu. Die Felder des dort sich öffnenden freien Waldplatzes wogen in frischem Saatengrün. Ihnen gegenüber die herrlichen Kastanien, stolze Prachteichen, weicher, schwellender Rasenteppich des Waldes, über Hügel gebreitet; der schönste Spielplatz der sich tummelnden Jugend. – Und so war denn auch die sonst so einsame Waldstrecke am letzten Sonntag mit Spaziergängern und eleganten Equipagen bedeckt, fast wie ein Weg des Thiergartens. Wer dazu beiträgt, daß es in den Pfingsttagen dort noch lebhafter aussieht, den wird es nicht gereuen. Und wer wollte sich nicht gern einmal in ganz freiem frischen Wald und Feld auslaufen?

Den von Rellstab geradezu überschwänglich formulierten Vorschlag zu einem Ausflug nach Tegel griffen an den beiden Pfingstfeiertagen des Jahres 1849 offenbar viele Berliner auf. In Equipagen, Kremsern und anderen der Zeit entsprechenden Fuhrwerken ging es von Berlin aus durch das 1788 von Gontard errichtete (und 1867 abgerissene) Oranienburger Tor über die Chaussee- und Müllerstr. weiter in Richtung Tegel. Allerdings sperrte am Ende der Müllerstr. zunächst eine „Barriere“ die Weiterfahrt. Hier befand sich seit 1830 (bis 1874) das Chausseehaus Rehberge. Bis 31.10.1848 war J. A. Schaub Pächter dieser Stelle. Der nachfolgende Pächter der Hebestelle, Lehmann, konnte über den starken Ausflugsverkehr am 27. und 28.5.1849 (Pfingsten) zufrieden sein. Immerhin konnte er nach dem Tarif v. 29.2.1840 von jedem „Fuhrwerk zum Fortschaffen von Personen“ einen Silbergroschen je Zugtier und Meile erheben. Da die Hebebefugnis für die Chaussee nach Tegel aber bei 1 ½ Meilen lag, wurden für diese Strecke 1 Silbergroschen 6 Pfennig fällig. Die dafür auszuhändigende Quittung musste der Kutscher aufbewahren und am nächsten Chausseehaus wieder abgeben. Das Chausseehaus Rehberge gehörte zu jenen Stellen in der Provinz Brandenburg, die in den Jahren 1844-46 im Durchschnitt mehr als 3000 Taler Nettoertrag pro Meile aufwiesen. In Rehberge wurden 3836 Taler durchschnittlich eingenommen. Viel höhere Einnahmen hatte allerdings die Hebestelle Charlottenburg mit 12047 Talern.
Chaussee-Einnehmer Lehmanns Frau Caroline Friederike Charlotte, geb. Schumacher, zeigte sich Weihnachten 1850 gegenüber der Kirche zu Nassenheide sehr großzügig. „Aus Dankbarkeit gegen Gott für erwiesene Wohltaten“ schenkte sie einen sehr schön gearbeiteten, geschmackvollen Tauftisch aus Mahagoni nebst einem Taufbecken aus Porzellan und einer Samtdecke mit schweren Goldtressen.

Auf der Tegeler Chaussee lag später eine weitere Hebestelle (Zeitraum 15.2.1854-30.6.1857) im „Empfangslokal zwischen Rutensteinen 1,82 und 1,83“ (heutiges Restaurant „Alter Fritz“ oder unmittelbare Nähe) und v. 1.7.1857-31.12.1874 im „Haus bei dem Rutenstein 1,66 (heute Berliner Str. 1, ehem. Schmiede von Schulze). Doch das betraf ja noch nicht jene Berliner, die 1849 ihren Pfingstausflug unternahmen.

AmtsblattIn Tegel lud der Schlosspark zu Spaziergängen ein. Der nahe See, nach dem verheerenden Brand von 1835 durch die Seegasse gut erreichbar, bot angenehme Wasserpartien.
Ein Ziel der Ausflügler am 2. Feiertag war mit Sicherheit der von M. Bacher im Ort  (Anschrift Tegel 3) betriebene „Goldene Stern“, vis-à-vis der Dorfkirche gelegen. Der Wirt bot seinen Gästen nämlich ein „gut besetztes“ Trompetenkonzert, danach war ein Tanzvergnügen arrangiert. In den Adressbüchern der Jahre 1847 und 1848 wurde Bacher als Tabagist  genannt. Unter einer Tabagie war ein Lokal zu verstehen, in dem geraucht werden durfte und das auch Tabakwaren anbot. Vor Bacher gehörte das Haus dem Krüger F. Schulze, zu späterer Zeit dem Gastwirt C. F. Marzahn.

Im Dörfchen gab es auch zumindest ab 1847/48 ein Cafe, das von E. Löst (nach anderer Schreibweise E. Soest) betrieben wurde. Wo genau sich das Cafe befand, ist nicht überliefert. Cafetier Löst war ein patriotisch gesinnter Mann, der noch im März 1848 zwei Taler als „Liebesopfer“ für die Verwundeten und für die Hinterbliebenen der am 18.3. gefallenen Bürger spendete. Am 9.5.1849 verstarb der Cafetier an „Lungenlähmung“. Den Tod des geliebten Mannes, Schwiegersohnes, Schwagers und Onkels zeigten die tief betrübten Hinterbliebenen an. Witwe Auguste Löst, eine geborene Witte, verband dies gleichzeitig mit der Anzeige, dass sie das Geschäft ihres verstorbenen Mannes in derselben Art und Weise fortsetzen wolle. Sie erhoffte weiter das bisher ihrem Mann geschenkte Wohlwollen. Mit Sicherheit kehrten im Cafe auch die Berliner Ausflügler zu Pfingsten 1849 ein. Nach 1850 verlieren sich die Spuren des von der Witwe Löst in Tegel betriebenen Cafes. Vielmehr gab es 1855/56 im Dorf den Cafetier Carl Wilhelm Leopold Grützmacher. Dieser wurde am 7.7.1855 im Departement des Kammergerichts für den 7. ländlichen Bezirk des Kreises Niederbarnim für Schiedsmann Carl Emil Friebezeiser, Gutsbesitzer zu Schulzendorf, zum zweiten Stellvertreter bestallt. Später, zumindest ab 1859, war in „Tegel 30“ über lange Jahre der Cafetier J. Drewitz tätig war.

Es gab zudem viele Berliner, die die Tegeler Chaussee nicht am Abzweig zum Dorf (heute Alt-Tegel) verließen. Sie passierten unmittelbar die Mühle, die gerade im Jahr zuvor von Wasser- auf Dampfmaschinenkraft umgestellt wurde, und kurz danach den Meilenstein auf der linken Straßenseite. Der Sandsteinobelisk aus der Zeit um 1730 hatte ursprünglich als Ganzmeilenstein auf dem Hamburger Postweg einen anderen (Ganzmeilen-)Standort. Wann er nach Tegel, 1 ½ Meilen von Berlin entfernt, umgesetzt wurde, ist nicht bekannt. Er trug übrigens – wie alle weiteren Meilensteine auf dem Weg nach Hamburg – keine Inschrift. Dies als Hinweis, weil 1841 in einem Reisebericht trotzdem folgende Inschrift genannt wurde: „ Bis Berlin ein und eine halbe Meile“. Nicht auszuschließen ist, dass der Text (inoffiziell) aufgetragen war.

In den „Neuen Krug“, heute als Restaurant „Alter Fritz“ bekannt, kehrten wohl eher jene Gäste ein, die in einer vornehmen Kalesche vorfuhren. Die Gastwirtschaft wurde lange Zeit (mindestens seit 1832/33) von C. G. Buschmann, der auch ehrenamtlicher Ortsvorsteher war, geführt. Sie wurde am 20.5.1778 schon von Goethe bei einem Treffen mit der Familie von Humboldt aufgesucht. Buschmann warb am 13.5.1849 mit folgender Anzeige:

Auch in diesem Jahre verfehle ich nicht, mich einem Hochgeehrten Publikum bestens zu empfehlen. Die herrliche Lage meines Etablissements, unstreitig der schönste Punkt in der näheren Umgebung von Berlin, wird, wie ich nicht zweifle, dessen geschätzte Bewohner veranlassen, mich recht zahlreich mit ihrem Besuche zu beehren, und werde ich fortfahren meinerseits Alles aufzubieten, um durch gute und prompte Bedienung mir Jedermanns Zufriedenheit zu erwerben, und mir den guten Ruf zu erhalten, dessen ich mich seit einer so langen Reihe von Jahren zu erfreuen habe.
C. Buschmann zu Schlösschen Tegel.

Tegeler Mühle

Ausflügler vor dem Wohnhaus der Tegeler Mühle, das wegen seines Bewuchses auch Efeuhaus genannt wurde. Im Bildhintergrund rechts ist der Meilenstein zu sehen.

Im Neuen Krug wohnten 1822 12 „Seelen“. Hier war man stets zur Aufnahme von Gästen vorbereitet, doch Bestellungen auf größere „Dejeuners, Diners und Soupers“ (das klang besser als Frühstück, Mittag- und Abendessen) meldete man am besten schon am Vortag an. In der Gaststätte fanden auch durch Oberförster F. Lelm (wohnhaft im Forsthaus Tegel 10) Holzversteigerungen statt. Die Hölzer wurden bereits ihrer Länge und ihrem Umfang entsprechend ganz gezielt z. B. als Mühlenwellen, Böttcher-Nutzholz oder als „ordinäres“ starkes Bauholz angeboten. Vom Kaufpreis musste die Hälfte als sog. Angeld an Ort und Stelle bar hinterlegt werden. Doch solche Versteigerungen erfolgten natürlich nicht an den Feiertagen.

Ein Teil der Berliner Ausflügler fuhr oder wanderte durch den Wald weiter nach Schulzendorf, das bereits 1835 im Berliner Adressbuch als vor dem Oranienburger Tor gelegene Sehenswürdigkeit genannt wurde. Schulzendorf hatte im Dez. 1858 67 Einwohner und „12 Ehen“. 5 Wohngebäude, 7 gewerbliche und wirtschaftliche Häuser sowie 4 Gehöfte wurden gezählt. Das Vieh wurde mit 10 Pferden und 26 Rindern ermittelt. Zu Pfingsten 1849 konnte im Gutskrug wie auch bei Neye (dem späteren Restaurant Sommerlust) Kaffee getrunken wurden. Ein Berliner, der sich in Schulzendorf am zweiten Feiertag aufhielt, behielt den Ausflug aber in unangenehmer Erinnerung. Er verlor nämlich sein goldenes, rot und weiß emailliertes Armband. Sein Appell an den ehrlichen Finder, das Stück gegen eine Belohnung in Höhe des Goldwertes zurückzugeben, blieb sicher ohne Erfolg. Auch die Warnung vor einem Ankauf des Armbands dürfte nicht geholfen haben.

Gleich mehrere Besucher von Tegel sprachen gar am 1.6.1849 in einem Leserbrief an die „Königlich privilegirte Berlinische Zeitung“ eine Warnung für Besuche in Tegel aus. Sie schrieben:

Gefahren für die Besucher in Tegel
Herr Rellstab hat in No. 119 dieses Blattes in seiner bekannten ansprechenden Manier die Naturreize von Tegel geschildert, wodurch wir zu einem Pfingstausfluge nach dem gelobten Lande verlockt wurden. Wir müssen eingestehen, daß wir durch die Natur vollkommen befriedigt wurden, aber auch, daß wir wenig erbaut waren durch die Kunst-Straße, welche dahin führt, die Herr R. – wie es scheint etwas ironisch – eine nicht steif geradlinige, sondern eine geschwungene nennt. Allerdings, wenn es der Weg eines Irrgartens sein soll, so erscheint uns die Bauart ganz passend, sonst aber müssen wir gestehen, daß wir keinen besondern Geschmack an dieser Liebhaberei finden.
Dicht vor Tegel läuft diese Chaussee aus dem Walde in der Form eines Z fort, und sind die scharfen Biegungen bei der geringen Breite des Dammes für schweres Fuhrwerk namentlich im Winter gefährlich. Entweder muß man befürchten, von dem Damme geschleudert zu werden, oder das hübsche Eisengitter, welches das zur Mühle gehörige Wohnhaus umschließt, zu zertrümmern. Ist aber auch diese Stelle glücklich umschifft, so droht die nicht minder gefährliche Charybdis, die alte halbverfallene Holzbrücke bei der Mühle, zu welcher die, den Weg beengende ruinenartige Schneidemühle ein würdiges Seitenstück ist. Die Brücke ist kaum 11 Fuß breit (1 preuß. Fuß = 12 Zoll =  0,31385 m), der daran stoßende Weg, durch die Schneidemühle beengt, nicht viel breiter, und trat hier bei der großen Frequenz an den Pfingsttagen eine fortwährende Stopfung der Fuhrwerke ein, da an dieser Stelle an ein Ausbiegen der Wagen nicht zu denken ist und immer einer auf den anderen warten mußte. Wie wir erfahren, soll sich vor einiger Zeit hier auch ein Unglück ereignet haben, das beinahe einer jungen Dame das Leben gekostet hat. In Folge dieses Vorfalles hat der Mühlenbesitzer aus Menschenfreundlichkeit eine Warnungstafel mit dem Worte: „Schritt!“ an die Holzwand der Schneidemühle angeheftet. Aber, obgleich unser Wagenlenker die Aufforderung gewissenhaft befolgte, wurden wir dennoch das Opfer einer anderen ungeahnten Gefahr. Der Wagen stürzte nämlich von dem Planum der Chaussee auf die, fast einen Fuß tiefer liegende Brücke, und erlitt eine solche Erschütterung, daß eine Feder zerbrach. Wir empfanden einen leisen Schauer, als wir, größerer Gefahr entronnen, uns auf der anderen Seite der Chaussee befanden.
Da das Publikum Chausseegeld für diese Strecke zahlen muß, so dürfen wir wohl die Zuversicht aussprechen, daß diesen Übelständen baldigst abgeholfen werde; aber zu beklagen ist, daß solche offenkundige Mängel erst noch der öffentlichen Aufforderung zur Abhülfe bedürfen.

Mehrere Besucher von Tegel.

Soweit dieser Leserbrief aus dem Jahre 1849. Ob und wann daraufhin zügig Änderungen erfolgten, ist nicht bekannt. Erst 1911 wurde die bis dahin direkt an der Mühle vorbeiführende Straße begradigt. Damit verbunden war der Bau einer neuen Brücke über das Fließ; weiter in Richtung „Alter Fritz“ erfolgte am „Tegeler Berg“ nahe dem einstigen Abzweig nach Hermsdorf eine (erneute) Tieferlegung des Straßenniveaus.

Beenden wir damit unseren Rückblick. Er mag zeigen, wie sehr sich doch in mehr als 150 Jahren Straßenverhältnisse, Orts- und Landschaftsbilder sowie Lebensgewohnheiten verändert haben.

Gerhard Völzmann