Vom Handarbeits-Brigitten-Club „Harmonie“

Sie hießen Hedi, Frieda oder Käte, nannten sich aber alle Brigitte.

Handarbeits-Brigitten-Club

Das (zweite) Buch des Handarbeits-Brigitten-Clubs „Harmonie“ mit Eintragungen ab 13.11.1935. Die Beschriftung befindet sich auf Seite 1 des Buchinneren.

Es waren sieben jüngere Frauen, die sich am 14.9.1932 zur Gründung eines Hand­arbeits- und Kaffeekränzchenkreises zusammenfanden. Handarbeits-Brigitten-Club „Harmonie“ nannten sie ihre Vereinigung. Obwohl keine der Damen den Vornamen Brigitte trug, führte der Clubname dazu, dass sie sich untereinander alle als Brigitte bezeichneten. Zur Unterscheidung wurde noch der zutreffende Nachname hinzugefügt. Später, als man sich näher kennen lernte und duzte, wurde neben dem Vornamen Brigitte der tatsächliche Vorname ergänzend erwähnte, also beispielsweise Brigitte Käte. Die „eingetragenen Brigitten“ wohnten in Tegel, Wittenau, Hermsdorf, Reinickendorf und Berlin N sowie Berlin S. Leider ist nicht überliefert, wie sie zur Gründung des Clubs zusammenfanden.

Der Handarbeits-Brigitten-Club „Harmonie“ hatte natürlich auch „Bedingungen“. Sie besagten, dass der Club jeden Mittwoch ab 3 Uhr tagte. Dies geschah abwechselnd bei jeder Brigitte. Pünktliches Erscheinen war erwünscht. Bei jedem Treffen waren 10 Pfg. zu entrichten. Neben einer Kassiererin, die das Geld einsammelte, gab es auch eine Bannerführerin sowie eine Schriftführerin. Letzterer ist es zu verdanken, dass durch ein erhalten gebliebenes Buch über den Club und damit auch über ein kleines Kapitel Zeitgeschichte der Jahre 1935 – 1942 berichtet werden kann.

Das schwarz eingebundene Buch mit aufgeklebten Stickereien wurde vom Ehemann einer Brigitte eigenhändig gefertigt und als Spende überreicht. Es begann mit Eintragungen ab 13.11.1935, überwiegend nur Anwesende, Beitragszahlungen und den Kassenbestand aufführend. Das erste Buch des Clubs, die Zeit v. 14.3.1933 bis 6.11.1935 betreffend, liegt übrigens leider nicht vor.

Am heutigen Tage war es mehr ein Plaudern als Handarbeiten, da jede soviel von den verlebten Feiertagen zu berichten wusste.

Dieser Eintrag erfolgte am 8.1.1936. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass die Aufzeichnungen sonst keine Hinweise liefern, welche – vielleicht auch besonderen – Handarbeiten gefertigt wurden. Am 22.1.1936 war zu berichten, dass bei unserer Kränzchen-Schwester … ein kleines Mädchen das Licht der Welt erblickt hat. Der kleine Nachkömmling wurde dann am 26.2. vorgestellt. Am 4.3. war die Zusammenkunft sehr gemütlich und Klein- … wurde gebührend bewundert, da auch sie schon für Unterhaltung sorgte.

Beim Treffen am 11.3. war die Brigitte … entschuldigt, weil sie drei Tage zuvor einem kleinen Stammhalter das Leben geschenkt hatte.

Am 27.3. verlebten die Damen den Nachmittag „am See“ (sicher am Tegeler See) und tranken dort auch Kaffee. Alle Brigitten waren am 29.7. versammelt, um den „fäl­ligen“ Sommerausflug zu besprechen. Es galt, das neue Wochenendhaus der Brigitte … in Fichtengrund (Oranienburg) einzuweihen. Hierzu erhielt jede Brigitte aus der Kasse einen Betrag von 3,50 M ausgezahlt.

Der Termin 9.8. wurde  wegen der Olympiade auf den 6.9. verlegt.

Über den Ausflug nach Fichtengrund berichtete die Schriftführerin am 13.9. folgendes:

Schon bei Nennung des Namens Fichtengrund vermeint man einen angenehmen Nadelgeruch zu empfinden. Und wenn dazu heller, klarer Sonnenschein dieses Empfinden krönt, wer freut sich da nicht in freier Natur, unbeschwert von Sorgen einen frohen Sonntag zu verleben. Man möchte bald sagen, verschwenderisch war dieser Tag an Sonnenschein. Kein Wunder, daß sämtliche Teilnehmer nicht nur pünktlich, ja sogar vorzeitig an den Treffpunkten erschienen waren. Andeutungsweise wußten wir von Familie …, daß ihr Besitztum unweit der Bahnhofstr. liegt, trotzdem waren wir noch auf einen etwas längeren Fußweg vorbereitet. Doch kaum 50 m vom Bahnhof waren wir schon am Ziel. Nach kurzer Geländeinformation und Bereitstellen von Sitzgelegenheiten aus dem nett erbauten Wochenendhäuschen galt es natürlich, erst mal ein kräftiges Frühstück einzunehmen. Wo wir schon mal an dem Tisch saßen, ist es erklärlich, daß wir Männer einen kleinen Skat eröffneten, hingegen die Frauen einen Ausflug in die Umgebung unternahmen. Es muß doch beiden Gruppen großen Spaß gemacht haben, denn als die Frauen gegen 1 Uhr kamen, sah man allerseits nur frohe Gesichter, sogar hübsch gerötet. Wir Männer hielten Stand bis 4 Uhr, während dessen die Frauen gymnastische Übungen auf der dem Grundstück anschließenden Wiese ausführten. Es gab viel heitere Momente angesichts der erzielten Stellungen und Darbietungen, die mehrfach Anlaß gaben, davon Aufnahmen zu machen als bleibender Beweis froher, vergnügter Stunden. Besonders zu erwähnen ist noch der von Familie … anlässlich der Einweihung ihres Wochenendhäuschens spendierte Kaffee und Pflaumenkuchen. Ich weiß nicht, wer dazu angeregt hatte, jedenfalls vernahmen wir vom Frauentisch her ein kleines Hallo mit Tassengeklirr – was war geschehen – die Brigitten hatten sich Brüderschaft getrunken. Wer zweifelt da noch, ob es lustig herging? Besonders Spaß machte es uns noch, als Zuschauer des Herrn … zu fungieren, wie er mühselig versuchte, aus seinem Gartenboden die im Frühjahr eingelegten … (hier fehlt ein Wort) wieder zu finden, denn die sonst üblichen „Neuen“ waren so groß, daß ein Ausheben derselben meist nicht lohnte.
Das Maß der Gastfreundschaft der Familie … war für diesen Tag noch gar nicht erschöpft, denn zu unserem allgemeinen Erstaunen ließ sich Herr … nicht nehmen, einige Lagen Getränke im später aufgesuchten Lokal auf seine Rechnung zu spendieren. Selbstredend läßt man sich nicht erst die Krawatte abreißen und trinkt, lacht und scherzt eben mit. In dieser Beziehung konnte auch Herr … seinen guten trockenen Witz gut anbringen.
Abschließend kann gesagt werden, daß ein jeder von uns überaus mit dem Erlebten zufrieden war. Heiterer klarer Sonnenschein über Natur und Menschen, Lachen und Frohsinn von Anfang bis Schluß.

Bei der Zusammenkunft am 16.9. war der Ausflug noch einmal Gesprächsthema. Alle Fotos lagen vor und wurden für gut befunden.

Am 7.10. wurde über das geplante 5. Stiftungsfest gesprochen. Es sollte am 10.10. stattfinden. Hierfür erhielt jede Brigitte 1,70 M aus der Vereinskasse. Das Fest wurde im „Clou“ begangen, doch die hierfür vorgesehenen Seiten im Buch des Clubs blieben leer. Was war wohl der Grund?

Der Nachmittag des 14.10. blieb jedenfalls Erzählungen über das so schön verlebte Stiftungsfest vorbehalten. An diesem Tag wurde auch beschlossen, den Beitrag ab sofort von 10 auf 50 Pfg. pro Woche zu erhöhen.

Am 11.11. erscholl bei Brigitte … der Schlachtruf: „Keinen Kuchen mitbringen, den gebe ich“, was auch in reichem Maße anlässlich der Taufe der kleinen … geschah.

Wir erfahren dadurch, dass sonst zum Treffen jede Brigitte den Kuchen selbst mitbrachte, während den Kaffee sicher die Gastgeberin spendierte.

Da die Kasse am 27.1.1937 einen Betrag von 20,90 M auswies, wurde sogleich ein Ausgang bzw. ein Faschings- oder Bockbierfest beschlossen. Vorschläge sollten eingereicht werden. Im Ergebnis plante man aber dann doch eine Spreewaldfahrt im Mai.

Am 10.3. konnte bereits der erste Geburtstag des Sohnes der Brigitte … mit Kaffee und Kuchen gefeiert werden.

Nun rückte der Ausflug in den Spreewald näher. Am Sonntag, den 23.5., traf man sich um 5.45 Uhr in der Seestraße. Die Schriftführerin berichtete:

Außer Frau …, welche diese Tour bereits gemacht hat, kannte von uns anderen Teilnehmern niemand dieses schöne Fleckchen Erde Deutschlands. Und vorweg gesagt, es ist auch nur jedem Schaffenden zu empfehlen, dessen Nerven Entspannung brauchen, und dies irgend ermöglichen können, sich diesen Genuss zu verschaffen: „Fahre zum Spreewald“.
Es ist geradezu erstaunlich, wie fabelhaft an diesem Tage alles geklappt hat, und zwar vom Aufstehen bis zum zu Bett gehen. Sei es Wetter, Treffen, Verpflegung, Kosten, Fahrt, Kahnwahl und Rückfahrt, es ging absolut nichts schief. Schon auf der Hinfahrt durch das märkische Gelände mit der Bimmelbahn von Lübben nach Burg schienen uns die Bahnbeamten erwartet zu haben, ein Abteil eigens für uns reserviert, wonach der Schaffner als Kiebitz beim Skatspiel der Männer, und weiter als Erklärer der Frauen über Gelände-Schönheiten fungierte.
Zum Kirchausgang in Burg kamen wir gerade noch zurecht, die malerischen Trachten der Dorfjugend und der älteren Jahrgänge in Augenschein zu nehmen. Anschließende Innenbesichtigung der Kirche ergab nachher das Fehlen eines jungen Paares aus unserer Mitte, und zwar Frau … mit Herrn …, vorsorglich hatte sich dieses Paar Herrn … als Zeugen mit zurückbehalten. Angeblich hatten sie unser übrigen Herausgehen nicht gesehen, so daß sie 10 Min. Fremdengottesdienst beiwohnten. Hoffen wir´s als gutes Omen für die Zukunft. Anschließend um 12 Uhr nahmen wir in einem kleinen Gartenrestaurant unser Mittagsmahl in Burg ein.
Und nun beginnt mit der Kahnfahrt von Burg nach Lübbenau der schönste Teil des ganzen Tages. Es machte einige Schwierigkeiten, einen Kahn für 11 Personen zu bekommen, da sonst die Kähne nur für 8 Personen eingerichtet sind. Wir hatten Glück, einen Kahnführer zu erhaschen, der ruhig, sicher, aufklärend und angenehm uns für 6 Stunden in seine Führung nahm. 6 Stunden lang langsam, vollkommen geräuschlos ohne jegliche Anstrengung über das Wasser gleitend, durch Wiese, Wald an Häusern, Gärten vorbei, leichte Unterhaltung führend, gibt den Nerven eine Beruhigung und Wohlbehagen, wie es bald nicht schöner sein kann. Es gelang uns, den Alltag mit all seinen Sorgen auszuschalten und brachten uns diese Stunden eine wirkliche Erholung.
Nur durch eine Übersetz- und Kaffeepause im Forsthaus zur Schleuse wurde diese Fahrt unterbrochen. Stunde um Stunde stakte unser Bootsführer unermüdlich vorwärts dem Ziele entgegen. Um 18.30 Uhr kamen wir in Lübbenau an, auch hier bot sich dem Besucher ein herrliches Bild. Nach der Besichtigung von Schloß und Parkanlagen ging es zu einem Lokal zum Abendessen.
Die Sonne neigte sich bedenklich und mahnte zu Aufbruch und Rückfahrt. Froh bewegt, nur für Frau … viel zu früh, die nur mit Widerwillen folgte, zogen wir zum Bahnhof. Auch hier fanden wir wieder zwei vollkommene Abteile für uns, wo in dem einen bei den Männern die letzten Skatrunden folgten, während die Brigitten unter sich Lachstürme entfachten durch allerlei heitere Darbietungen. Um 10 Uhr langten wir wieder in Berlin, Görlitzer Bahnhof an.
Nach einem kühlen Abschiedsschoppen, von Herrn … spendiert, der den schönen Tag beschloß, trennten wir uns zufrieden und glücklich nach dieser schönen Fahrt. Eine schöne Aufnahme haben wir als bleibendes Andenken.

Mit Kind und Kegel zogen am 20.6. alle Brigitten (erneut) nach Fichtengrund. Doch gleich nach Tisch bezog sich der Himmel und ein Dauerregen setzte ein. Man verzog sich in das Innere des Wochenendhauses. Die Männer spielten Skat, die Frauen plauschten. Brigitte … spendierte Kaffee, den man dann im Restaurant (!) einnahm. Als der Regen nachließ, wurde noch ein einstündiger Spaziergang unternommen, der zu nassen Füßen führte. Der Wettergott hatte unseren schönen Ausflug zunichte gemacht.

Der 23.10. wurde beim Kränzchen am 6.10. als Termin für das Stiftungsfest im „Clou“ festgelegt. Bei der Zusammenkunft am 13.10. waren sich alle Damen einig, den Beitrag auf 50 Pfg. zu erhöhen. Zudem erhielt die Schriftführerin den Auftrag, schriftlich festzulegen, daß das Kränzchen bei der Mitgliederzahl von 7 verbleiben soll.

Bei Musik und Tanz sollte das 6. Stiftungsfest im „Clou“1 festlich begangen werden, wurde aber zu einem Reinfall. Wir lesen hierzu:

Keine rechte Stimmung wollte aufkommen, und auch unserem Namen „Harmonie“ wurde durch einen Zwischenfall keine Ehre eingelegt. Daraufhin trennten wir uns schon vorzeitig sehr enttäuscht, da allen Anwesenden die Laune verdorben wurde.

Über Hintergründe schwieg sich die Schriftführerin höflich aus. Nachfolgende Treffen ließen jedenfalls keinen Missklang erkennen.

Am 23.3.1938 wurde beschlossen, eine Fahrt in den Frühling, und zwar einen Ausflug zur Schorfheide zu planen.

Ein „richtiges“ Kaffeekränzchen fand am 6.4. in Anbetracht der Einsegnung des Sohnes … der Brigitte … statt. Die Bewirtung erfolgte mit Kaffee und Kuchen, Likör und auch Wein. Es wurden aber auch die Osterferien festgelegt und beginnt unser Kränzchen wieder am 27.4., da auch der 20. d. M. in Anbetracht von Führers Geburtstag ausfällt.

Der bereits bekannte Treffpunkt in der Seestraße, diesmal um 8.30 Uhr, galt am 15.5. für die Fahrt in die Schorfheide. Auch hierüber berichtet das Clubbuch ausführlich. So lesen wir:

Bei strahlendem Sonnenschein trafen sich … pünktlich an der Seestraße. Bereits 10 Minuten nach 9 Uhr waren wir am Zoo, wo uns schon Herr und Frau … erwarteten und auch schon für uns im Autobus Plätze reserviert hatten. Leider nahm aus verschiedenen Gründen nur der halbe Verein an unserer Fahrt teil.
Um 10 Uhr setzte sich der Autobus in Bewegung, voll besetzt mit Menschen in froher Stimmung, er fuhr mit uns allen in den Frühling. Zuerst fuhren wir durch die Stadt über Weißensee nach Lanke am Obersee. Dort hatten wir eine Pause von 10 Minuten zur Besichtigung des Sees. Von dort ging es über Bernau die Reichsautobahn entlang über Eberswalde nach Altenhof am Werbellinsee. Ankunft um 12 Uhr. Nun hatten wir 2 Stunden Mittagsrast.
Am schönen Werbellinsee ließen wir uns im schattigen Garten unser Mittagsbrot gut munden. Spezialität war: Aal in Grün, welchen wir im „Märkischen Hof“ mit Genuss verzehrten.


1) Ursprünglich eine Markthalle, ab 1910 mit Eingängen Mauerstr. 82 und Zimmerstr. 90/91 als Konzerthalle genutzt. Laut Wikipedia ein Lokal, in dem sich nachmittags zum “Promenadenkonzert“ (freier Eintritt) das kleinbürgerliche Berlin mit Strickstrumpf und Häkelarbeit versammelte.