Auf dem Infanterie-Schießplatz bei Tegel wurde bekanntlich über einen langen Zeitraum hinweg an mehreren Schießständen scharf geschossen. Hier befanden sich aber auch ein Laboratorium nebst Pulvermagazin und ein Militär-Versuchsamt, die als Institute der Heeresverwaltung zum Artillerie-Depot in der Kruppstraße gehörten. Zudem wurde eine Kaserne für das Luftschiffer-Bataillon errichtet, die 1.697.000 Mark kostete und ab 1.10.1901 bezogen wurde. Eher ungewöhnlich und vielleicht nicht so geläufig ist die Tatsache, dass auf dem Areal eine zum Königlichen Preußischen Meteorologischen Institut gehörende Einrichtung ansässig war. In dem neu gegründeten Observatorium wurden durch wissenschaftliche Ballonfahrten Kenntnisse und Erscheinungen in der Atmosphäre gesammelt. Der Standort wurde aber bereits nach 5 Jahren am 31.3.1905 aufgegeben und nach Lindenberg bei Beeskow verlegt. Auf die Anfangszeit der Tätigkeit des Aeronautischen Observatoriums in Tegel geht der nachfolgende Beitrag näher ein.
Auf Antrag des Meteorologischen Instituts wurden im Staatshaushalts-Etat des Jahres 1899 einmalig 50.000 Mark für die „Einrichtung eines fortlaufenden Dienstes zur Erforschung der höheren Atmosphärenschichten mittels Drachen und Drachenballons“ eingestellt. Die laufenden Ausgaben sollten dann aus dem erhöhten Etat des Meteorologischen Instituts bestritten werden. Schon zuvor begannen im September 1898 Verhandlungen mit dem Militärfiskus mit dem Ziel einer pachtweisen Überlassung einer Parzelle, die am Schutzrayon des Tegeler Schießplatzes lag. Am 19.1.1899 berichtete dann eine Berliner Zeitung:
Eine Drachenballonstation wird am Tegeler Forst errichtet werden. Es soll dort ein leichtes Wohngebäude und eine Ballonhalle errichtet werden. Die Station soll einem ständigen Mitarbeiter des meteorologischen Instituts unterstellt werden, welchem ein Secretär beigegeben wird. Die benachbarte Militair-Luftschifferabtheilung hat sich bereit erklärt, die Station dauernd zu unterstützen.

Dr. Richard Aßmann Geh. Regierungsrat und Professor, 1845 – 1918
Als Leiter des vorgesehenen Aeronautischen Observatoriums war der Geheime Regierungsrat Professor Dr. Richard Aßmann vorgesehen. Ihm standen als wissenschaftliche Beamte der ständige Mitarbeiter Arthur Berson sowie der Assistent Hermann Elias zur Seite. Aßmann und Berson fuhren im Juni 1899 zu einem vorbereitenden Studium nach Trappes, einem etwa 30 km südwestlich von Paris gelegenen Ort. Hier befand sich auf einer weiten waldarmen Hochebene ein Observatorium mit einem Flächenraum von 3-4 Hektar. Das Gelände am Tegeler Schießplatz lag hingegen nur 8 km vom Mittelpunkt Berlins, dem Spittelmarkt, entfernt. Zudem wurde es im Osten, Süden und Südwesten vom großen Waldkomplex der Jungfernheide umrahmt. Hier standen 20-25 m hohe Kiefern. Nur im Westen – hier lag der eigentliche Schießplatz – befand sich der Wald erst in 3-4 km Entfernung, im Nordwesten war es 1 km, Richtung Norden und Nordosten 400-600 m und im Osten und Süden nur gar 150-300 m. Die Verhandlungen über eine pachtweise Überlassung einer Parzelle am Rande des Tegeler Schießplatzes hatten ja, wie oben berichtet, bereits im September 1898 begonnen. Für Aßmann war es beim Studium der Verhältnisse in Trappes daher eindeutig, dass das Tegeler Areal ungünstig lag, eine Änderung des Standortes aber nicht mehr möglich war. Immerhin konnte die ursprünglich überlassene Fläche von 200 m Länge und 50 m Breite noch durch ein nachträgliches Ersuchen „in letzter Stunde“ um weitere 50 m Breite verdoppelt werden.

Areal des Observatoriums bis 1905 am heutigen Kurt-Schumacher-Damm. Plan 1907
Im Frühjahr 1899 wurde ein umfangreicher Komplex der Jungfernheide durch Abholzung „dienstbar“ gemacht, nachfolgend im November 1899 der südöstliche Teil des Tegeler Schießplatzes für Zwecke der staatlichen Luftschifffahrtsversuche. Am 12.11.1899 berichtete eine Zeitung bereits von einem auf dem Ballonplatz befindlichen großen hölzernen Ballonhaus und einem im Rohbau nahezu vollendeten Beamtengebäude. Der Bau eines hohen Aussichtsturmes wurde in Angriff genommen. Die umfangreiche Anlage sollte im Frühjahr 1900 fertig sein. Am 1.4.1900 erfolgte wohl die offizielle Inbetriebnahme der Wetterstation, wenngleich die Berliner Tageszeitungen darüber nicht berichteten. Erst am 25.5.1900 erfuhren die Leser der „Volkszeitung“:
Die Neuanlage der aeronautischen Abtheilung des königlichen meteorologischen Instituts am Tegeler Schießplatz ist jetzt fertig, so daß demnächst mit den regelmäßigen Versuchen begonnen werden wird. Die Abtheilung wird vom Professor Dr. Aßmann geleitet, dem als Assistent Dr. Berson zur Seite steht, der durch seine vielen Ballonfahrten vom Friedenauer Sportplatz aus bekannt geworden ist.
Etwas ausführlicher war dies auch am Folgetag in der „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ zu lesen, während das Berliner Volksblatt „Vorwärts“ das Thema erst am 20.6.1900 aufgriff.

Sehen wir uns nun die einzelnen Objekte des Areals näher an. Zuvor ist jedoch festzustellen, dass Aßmann ab Herbst 1899 Vorexperimente auf dem Gelände durchführte. Sein Plan von einer „fahrbaren“ Kabelwinde ließ sich jedoch nicht verwirklichen. Eine Feldbahn, dem Aufstieg und dem Einholen von Drachen dienend, sollte auf einem Gleis von 400 m Länge Richtung Osten zur Grenze des Schießplatzes und ein zweites von 300 m Länge nach Norden zur Mitte des Platzes führen. Die Mehrkosten hierfür hätten bei 3500 Mark gelegen. Doch das General-Kommando des Gardekorps, dem der Schießplatz unterstellt war, verweigerte die Feldbahn „grundsätzlich“.

So wurde stattdessen aus starken Balken ein 27 m hoher Turm errichtet. Er hatte eine Grundfläche von 5 m Seitenlänge. In 10 Stockwerken verjüngte er sich bis zur obersten Plattform mit einer durchbrochenen Brüstung in 25 m Höhe auf 2,5 m. Der untere Teil des Turmes war mit gespundeten Brettern verschlagen. Eine leidlich gangbare steile Treppe führte an den Seiten nach oben. Vier Eckstützen, 8,5 m weit ausgreifend, ruhten auf starken und tiefen Steinfundamenten. Unter der Achse des Turmes befand sich in 12 m Höhe über dem Erdboden im Turm ein „Windenzimmer“ mit einer stark befestigten Decke. Das Zimmer, auch als „Windenhaus“ bezeichnet, war achteckig und 3,5 m im Durchmesser. Der Turm kostete damals insgesamt 7500 Mark.
Im Januar 1900 wurde auf dem Gelände, für das jährlich eine Pacht von 115 Mark und 16 Pfennigen zu entrichten war, das einzige in fester Bauweise errichtete zweigeschossige Dienstgebäude fertiggestellt. Neben Büroräumen enthielt es Dienstwohnungen für einen Ballonwärter und zwei Gehilfen. Im Souterrain standen in einem Raum eine 7 PS Dampfmaschine (aus der Fabrik des verstorbenen Otto Lilienthal), die ohne Gefahr auch bis auf 8 – 9 PS beansprucht werden konnte, und eine damit angetriebene Dynamomaschine.
Diesem Haus gegenüber lag eine Ballonhalle, die man eher als Schuppen bezeichnen konnte. Der „mit thunlichster Sparsamkeit“ aus rohen gestülpten Brettern errichtete Raum von 16 m Länge, 10 m Breite und 8 m Höhe diente zum Unterbringen von Ballons, Drachen und anderen Utensilien. Zwei Schiebetore hatten fast die volle Breite der Giebelwand Richtung Ballonplatz. Die Halle war „im allgemeinen, trotz ihres unschönen Aussehens und einer schweren Stürmen vielleicht nicht ganz gewachsenen Sicherheit, zweckentsprechend gebaut“. Immerhin: Als am 20.4.1903 ein am Observatorium gemessener Windstoß eine Geschwindigkeit von 31 m/s erreichte, nahm die Halle keinen Schaden.
Das Auflassen und Einholen der nach ihren Erfindern Hargrave bzw. Eddy benannten Drachen geschah vom Turm aus. Ein Hargrave-Drachen mittlerer Größe bestand aus einem kastenartigen, mit Baumwollstoff bespanntem Gestell. Es war etwa je 1,5 m hoch und breit sowie ca. 0,5 m tief und führte auch die Bezeichnung „Kasten-Drachen“. Ein Eddy-Drachen wurde auch „Malayischer schwanzloser Drachen“ genannt und erinnerte mit seiner dreieckigen Form an das damalige Kinderspielzeug. Als Kabel diente anfangs Tiegelgussstahldraht mit einem Durchmesser von 0,7 mm, einer Reißfestigkeit von 90 kg und einem Gewicht von 3,7 kg pro 1000 m. Instrumente für die meteorologischen Messungen hingen am Kabel etwas unterhalb der Drachen-Befestigungen. Ein Drachenballon, mit Wasserstoff gefüllt, hatte eine Länge von 10 m. Das Kabel hatte hier einen Durchmesser von 1,3 mm, eine Festigkeit von 300 kg und ein Gewicht von 10 kg pro 1000 m.
Wurde ein Drachen aufgelassen, so begab sich ein Gehilfe in eine Entfernung von 50 – 100 m vom Turm, den Drachen bei gespanntem Kabel in der Hand. Bei entsprechend starker Brise ließ er dann den Drachen aufwärts schießen. Ein Beamter im Windenzimmer beobachtete den Vorgang genau. Entweder musste er bei starkem Zug die Bremse der von einem Elektromotor betriebenen Winde lösen, damit Draht abrollen konnte, oder bei einer Flaute mit einer Handkurbel Draht wieder aufrollen. Wohl noch schwieriger war das Einholen. Bis zu 10000 m Draht mussten ganz präzise aufgerollt werden. Die Kabelwinde wog allein 20 Zentner, sie kostete rund 4000 Mark.
Von einer eingehenden Beschreibung des Auflassens und des Einholens von Drachen und Ballons wird hier abgesehen.
Nach den wohl am 11.4.1900 offiziell begonnenen meteorologischen Messungen geschah schon am 26.7. d. J. ein Unfall, der die von Aßmann bereits bei der Planung des Observatoriums gesehene ungünstige Lage der Einrichtung bestätigte. Ab 15 Uhr wurden in Tegel fünf Drachen, in bestimmten Abständen an demselben Draht befestigt, zum Aufstieg gebracht. Um 18.51 Uhr – es waren über 7100 m Draht abgelassen – gab es eine starke Erschütterung. Der Draht war gerissen und fiel in großen Ringen vom Turm herab.
Dies führte dazu, dass auf dem Gelände einer Laubenkolonie zwischen Schweden- und Exerzierstraße ein 13 Jahre alter Junge auf einen am Boden schleppenden Drachen-Draht trat. Der Draht wickelte sich um den linken Unterschenkel des Knaben und durchbrannte das Fleisch in 5 cm Breite bis auf den Knochen. Zwei Männer durchschnitten den Draht, befreiten damit den Jungen und erlitten selbst Brandwunden an den Händen. Ein Drachenteil wurde dann zur Erde gezogen, ein weiterer flog weiter Richtung Schönhauser Allee. Später zeigte sich, dass der 4. und 3. Drachen, 3000 m Draht nachschleppend, noch 140 km südöstlich von Berlin bis hinter Forst/Lausitz in der Luft blieben. Weiterer Schaden entstand dadurch nicht. Für die bei dem Jungen wie auch bei den beiden Männern festgestellten „Brandwunden“ wurde ermittelt, dass sie nicht durch einen „elektrischen Schlag“ einer Straßenbahn-Oberleitung entstanden. Trotzdem ließ die Große Berliner Straßenbahn-Gesellschaft Straßenbahnlinien, die sich bis 800 m dem Observatorium näherten, mit seitlichen, zur Erde ableitenden Schutzdrähten versehen. Ein die Starkstromleitung berührender Drachendraht wäre nun sofort durchgebrannt und stromlos zur Erde gefallen. Übrigens wurde die Straßenbahn nach Tegel gerade erst am 13.7.1900 auf elektrischen Betrieb umgestellt.
Im Juli 1901 erhielt das Observatorium vom Kaiser einen großen, wertvollen Ballon überwiesen, den dieser vom Architekten Enders aus Potsdam als Geschenk erhalten hatte. Der in Hannover erbaute Ballon mit dem Namen „Preussen“ war mit einem Fassungsvermögen von 8400 cbm Wasserstoff der größte, der jemals aus gummierter Baumwolle angefertigt wurde. Mit ihm sollten die Grenzen menschlicher Leistungsfähigkeit unter extremer Luftverdünnung erprobt werden. Für die Kosten zur Bestreitung dieses Experiments durch die Aeronauten Berson und Dr. Süring hatte der Kaiser 10000 Mark aus dem Dispositionsfond hergegeben.
Die Höhenfahrt war für den 31.7.1901 vorgesehen. Die Luftschifferabteilung füllte den Ballon, der sich dann um 10.50 Uhr in die Luft erhob. Die Astronauten waren mit Renntierpelzen, Thermophore für das Warmhalten von Händen, Füßen und heißen Tee, vier Sauerstoffflaschen á 1 cbm und den üblichen Messinstrumenten ausgerüstet. Während auf dem Erdboden eine Temperatur von +30 Grad herrschte, waren es für Berson und Süring dann in 10300 m Höhe -40 Grad.

Als Süring in Ohnmacht zu fallen drohte, zog Berson zweimal das Ventil und brachte den Ballon damit zum Abstieg. Schließlich waren beide Männer 30 – 45 Minuten in schwerer Ohnmacht. In circa 6000 m Höhe erwachten Süring und Berson wieder etwa gleichzeitig. Sie landeten um 18.30 Uhr bei Briesen unweit Cottbus ohne nachteilige gesundheitliche Folgen, wie sich später zeigte. Zwei neu angeschaffte Ballons des Deutschen Vereins für Luftschiffahrt erhielten ihnen zu Ehren ihre Namen.
Im Mai 1902 berichtete Aßmann Kongressteilnehmern über den Einsatz von Gummiballons (sog. Ballons-sondes). Wenn sie in großen Höhen von bis zu 20000 m zerplatzten, glitten Registrierapparate an sich in diesem Moment öffnenden Fallschirmen zur Erde nieder. Registrierungen erfolgten zunächst durch eine Feder auf gerußtem Papier, später der besseren Lesbarkeit wegen auf Lackmuspapier. Für das Auffinden und Melden eines Apparats gab es eine Belohnung von 5 – 20 Mark.
Im Herbst 1902 zeigten sich Probleme zwischen den Aeronauten und den Luftschiffern, die ab 1.10.1901 angrenzend eine eigene Kasernenanlage besaßen. So kam es zum Beispiel zu Ballonkollisionen. Daraufhin kündigte die Heeresverwaltung dem Observatorium wegen künftiger Eigennutzung des Geländes durch das Militär zum 1.4.1903. Wenn auch die Kündigung am 4.2.1903 zurückgenommen wurde, so war dies doch der Beginn von Überlegungen für einen neuen Standort des Observatoriums, die dann ja auch 1905 durch einen Umzug nach Lindenberg abgeschlossen wurden.
Wir bleiben mit unseren Betrachtungen jedoch noch weiter in Tegel. Im Mai 1903 schlug ein Blitz in einen Drachen ein. Ein 7 qm großer Hargrave-Drachen befand sich mit etwa 3000 m Draht in 2050 m Höhe. Ein kräftiger Regenschauer setzte ein, vom Draht war etwa die Hälfte eingeholt. Plötzlich war ein heller Blitz, ein kurzer, scharfer, betäubender Knall, gefolgt von einem lange rollenden Donner. Der Drachen war vom Blitz getroffen. Statt des Drahtes war eine lange rostgelbe Rauchsäule zu sehen, darüber der abstürzende Drachen. Er wurde stark beschädigt in Wilhelmsruh aufgefunden, der Registrierapparat blieb fast unversehrt. Der Haltedraht des Drachens war durch eine 100 m vor dem Turm befindliche Rolle gut geerdet, weil ein verbundenes Eisenrohr bis in das Grundwasser reichte. Allerdings brannten im Observatorium alle Drähte und Sicherungen durch, die weniger als 5 Ampere leiten konnten. Auch die Haustelefonanlage nahm Schaden.
In der Zeitspanne vom 1.10.1902 – 31.12.1903 war es dem Institut bei jeder Witterung durch tägliche Aufstiege von Ballons, Drachen und Drachenballons möglich, eine Übersicht der Lufttemperatur in den verschiedenen Höhen über Berlin zusammenzustellen. Es war die zu dieser Zeit wohl erste und einzige Aufstellung dieser Art, die zudem noch am selben Tag veröffentlicht wurde. Temperaturvoraussagen selbst auf mehrere Tage hinaus, heute für uns selbstverständlich, wurden damals nicht mehr für unmöglich gehalten.
Einen Rekord im Drachenaufstieg auf deutschem Boden verzeichnete das Aeronautische Observatorium am 25.3.1904. Es wurde eine Höhe von 5080 m erreicht, wobei der Haltedraht eine Länge von 12300 m besaß. Das konnte nur erreicht werden, indem gleichzeitig sechs Drachen mit einer Bespannung von zusammen 28 qm zu einem „Drachenpark“ aufstiegen. Jeder dem Drachen an der Spitze folgende Hilfsdrachen trug das Halteseil des nächst höheren „Fahrzeugs“. Leider riss beim Einholen der Drachen der Draht kurz über dem Erdboden. Die Drachenkette setzte sich dem Wind folgend wieder in Bewegung, den Haltedraht nachschleppend. Der unterste Drachen verfing sich in einer Baumkrone nahe Tegel. Die verbliebenen fünf Drachen gingen erneut in die Höhe und trieben Richtung Velten und Kremmener Luch. Von einer Lokomotive der Kremmener Bahn wurde nachschleifender Draht zerrissen, Draht verfing sich auch in der Windmühle von Beetz, Pferde eines herrschaftlichen Gespanns verwickelten sich im Draht. Endlich verankerten sich die Drachen am Nordwestrand des Luchs. Ausgesandte „Drachenjäger“ bargen die nach einer Strecke von 45 km völlig unbeschädigten Drachen. Tausende Meter wertvoller Stahldraht blieben im Tegeler Forst und dem Luch unentdeckt zurück.
Die nachstehende Aufstellung listet aus Platzgründen aus dem Jahre 1904 (nur) jene Drachen- und Drachenballonaufstiege auf, die das Observatorium von Januar bis Juni vornahm.
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Januar
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Februar
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März
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April
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Mai
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Juni
|
Drachen
|
Anzahl der Tage
|
21
|
23
|
19
|
22
|
16
|
17
|
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Mittlere Höhe
|
2184
|
2178
|
2363
|
2628
|
2497
|
2603
|
Größte Höhe
|
3210
|
3400
|
5080
|
3520
|
3600
|
4100
|
Drachen-
ballon
|
Anzahl der Tage
|
10
|
6
|
12
|
8
|
15
|
13
|
Mittlere Höhe
|
1055
|
1397
|
1295
|
1274
|
1416
|
1395
|

Das einstige Dienstgebäude zu späterer Zeit (1908)
Der Staatshaushalt sah bereits für das Jahr 1904 für die Errichtung eines neuen Observatoriums einen Betrag von 458100 Mark vor. Der Fiskus hatte bei Lindenberg im Kreis Storkow-Beeskow ein Gelände erworben, auf dem von Mitte Juni 1904 bis Ende Mai 1905 die Anstalt, aus sechs Gebäuden bestehend, errichtet wurde. Ursprünglich war als Baubeginn der 1.4. vorgesehen, doch durch die späte Verabschiedung des Etats trat eine Verzögerung ein. In Tegel drohten 1905 weitere Unfälle und zudem eine Übernahme des Geländes und der Baulichkeiten durch das Militär zum 1.4. Beides waren Gründe, den Umzug von Tegel nach Lindenberg nicht zu verschieben. So zogen die Angestellten des Observatoriums, die ihre Wohnungen ja zum 31.3. gekündigt hatten, zum neuen Standort, obwohl die dortigen Häuser noch nicht fertig waren.
Einige Beamte blieben aber noch in Tegel und setzten mit primitiven Mitteln die Wettererhebungen fort, bis das neue Observatorium den Dienst aufnahm. Dadurch trat keine Unterbrechung der seit Oktober 1902 lückenlos geführten Beobachtungsreihe ein.
Am 16.10.1905 wurde das Observatorium in Lindenberg in Gegenwart Kaiser Wilhelms II. und weiterer Persönlichkeiten eingeweiht. Der 1952 gegründete Deutsche Wetterdienst nutzt noch heute das nach Richard Aßmann benannte Meteorologische Observatorium im Ortsteil Lindenberg der Gemeinde Tauche im Landkreis Oder-Spree.
Gerhard Völzmann