Schmidt von WerneuchenFriedrich Wilhelm August Schmidt, geb. 23.3.1764 in Fahrland, verst. 26.4.1838 in Werneuchen, besser bekannt als Schmidt von Werneuchen, besuchte in Berlin das Gymnasium zum Grauen Kloster und studierte in Halle/Saale Theologie. Anschließend war er zunächst Geistlicher am Berliner Invalidenhaus und ab 1795 Pfarrer in Werneuchen. Ab 1787 veröffentlichte Schmidt Gedichte, in denen er seine Begeisterung vom Leben auf dem Lande zum Ausdruck brachte. Andere Schriftsteller äußerten sich zwiespältig über seine Werke.
Im „Almanach romantisch-ländlicher Gemählde für 1799“ finden wir gleich zwei Beiträge Schmidts über seine Besuche in Tegel. Ein Gedicht trägt die Überschrift „Der Kirchhof zu Tegel“. Das Gedicht von einer Fahrt nach Tegel im Jahre 1793 lesen wir nachfolgend.

Einladung zu einer Lustfahrt nach Tegel *)
An Herrn Regimentsquartiermeister und Auditeur Knüppel in Berlin.
(Abends im Juny 1793.)

Soll im Ernst, mein Lieber, in dem dumpfen
Arbeitsstübchen, vor dem Aktenschrank,
Frohsinn und Gesundheit dir verschrumpfen?
O! zerbrich einmal der Lage Zwang!
Morgen soll ein kleiner Bauerwagen
Früh um Fünf uns durch den Jungfernhain
Nach dem wunderschönen Tegel tragen:
Schlechterdings mußt du Gefährte seyn!

Von des Auslands Pflanzen und Gebüschen  
Säumt dein Gärtner zwar im Sommer nie
Dieß und Jenes, Freund, dir aufzutischen:
Manche Gruppen von Orangerie
Auszustellen in bemalten Kasten,
Rein zu schaufeln jeden Gartensteig.
Dennoch muß dein Herz, das fürcht´ ich, fasten;
Denn Natur allein bleibt groß und reich.

Anders ziehn in Tegels Paradiese
Feld und See dich an und wilder Park;
Ja! der Weinberg dort ist schon ein Riese
Gegen andre Berg´ in unsrer Mark.
Hier zu Lande kam dir wohl, ich wette!
Solche Landschaft selten zu Gesicht.
Nur vergiß, das bitt´ ich, die Lorgnette,
Und die frohe, heitre Laune nicht.

Morgen, statt des Kochs verwürzte Speisen,
Gnüge dir ein ländlich Mittagsmahl;
Ärmlich soll´s nicht seyn: aus seinen Reusen
Holt der Fischer uns den besten Aal;
Ihren fettsten Puter uns zu köpfen
Weigert sich die flinke Wirthin nicht;
Wilde Erdbeer´n bringen uns in Töpfen
Auch die Kinder gern zum Nachgericht.

Bauerbrod, und frische gelbe Butter
Soll uns mehr, als Wienertort´, erfreu´n.
Aber freilich, Freund! Ein Flaschenfutter,
Wohlgefüllt, muß unsre Sorge seyn!
Brunnenschwengel, Hahn und Glucke stimmen
Ein Terzett uns bei der Tafel an.
Und des Weinbergs schrägen Hang erklimmen
Wir vergnügt mit Weib und Kindern dann.

Dort wird Halt gemacht an jener Stelle,
Wo im Kreise blauer Flieder blüht,
Wo dein Auge Spandau´s Citadelle
Mit dem Thurm im Hintergrunde sieht.
Vorn den langen See, voll weißer Täubchen
Links des Schlosses Dach, mit Blei gedeckt.
Neben uns vielleicht im grünen Leibchen **)
Auch die Gärtnerfrau, die Samen steckt.

Über langgestreckte Gerstenhufen
Hören dort, aus Nadelholz hervor,
Wir gewiß den fernen Kuckuck rufen,
Und den Kranich schrei´n im Wiesenrohr.
Hat die das behagt, so geht’s bergunter,
Um der Thäler Schönheit nah´ zu seh;
Aber ungern nimmst du Abschied, unter
Lautem Ausruf: o! Wie schön! Wie schön!

Müde sinkt mein Weib, beim Schlag der Wachtel,
Unten hin auf weichen Rasenhang,
Und wir sammeln Raupen in die Schachtel,
Oder Heidelbeer´n, den Rain entlang.
Während neben uns die Feld-Cikade
Im zerkerbten Farrenkraute singt,
Schlendern froh wir nach dem Seegestade,
Wo aus Furcht der Frosch ins Wasser springt.

Welch Naturgemälde! Wunderdinge
Bannen hier auf einem Fleck dich fest:
Dort des Schilfes lange grüne Klinge,
Wasserliljen hier, von Schaum benäßt,
Fern der Kohlenschiffe leichte Wimpel,
In der Näh´ ein angepfähltes Floß,
Und zur Seite Wasserspaz und Gimpel,
Grüßend uns auf jungem Elsensproß. –

Doch des Gasthofs Schornsteinwolken winken
Von dem einsam schönen Zauberort,
Der Levante schwarzen Trank zu trinken,
Leider! Viel zu früh uns wieder fort,
Herrlich kühlt die Laube von Ebreschen,
Nun die Wandrer mit bestäubtem Schuh;
Während Bauern in der Scheune drösche,
Und im Stalle brüllen Stier und Kuh.

Zu der Nachtigallen Lustakkorden
Blöken, bei der Rückfahrt über Feld,
Lämmer uns entgegen aus den Horden,
Wo der Fix des Schäfers Wache hält.
Aus den Thaugewölken, licht und wollig,
Lauscht der Vollmond o! So glau hervor,
Und der Frösche Völkchen schwatzt so drollig
Zwischen Pferdemünz und Kolbenrohr.

Alle diese ländlich netten Sachen
Sollst du morgen hören, morgen sehn;
Aber lange mußt du heut nicht wachen,
Um bei Zeiten wieder aufzustehn.
Immer war ich des Kalenders Spötter;
Doch von morgen spricht er mit Verstand:
Morgen, er hat Recht, ist schönes Wetter,
denn das Abendroth zieht über Land. ***)

                       kringel

Schmidts schwärmerisches Gedicht vermittelt schon eine Vorstellung, wie es wohl im ausgehenden 18. Jahrhundert in Tegel aussah. Der Weinberg wurde in den Versen als Riesenberg bezeichnet, Kinder fanden (wohl in Dorfnähe) noch wild wachsende Erdbeeren, das Dach des Schlösschens war mit Blei gedeckt, auf der Havel waren bereits Kohlenschiffe zu sehen. Die schon zu dieser Zeit viel-hundertjährigen Bäume im Schlosspark und an der Malche (man denke nur an jene Eiche, die von den Humboldt-Brüdern „Dicke Marie“ genannt wurde) erwähnte Schmidt von Werneuchen allerdings nicht.

Übrigens wurden 1783 im Dorf Tegel nebst dem Schlösschen 209 „Seelen“ gezählt. Wie sich bis zu diesem Zeitpunkt die Einwohnerzahl änderte, zeigt folgende Statistik:

 

Gebohrne“

Gestorbene

Copulirte“

Von 1746 bis 1755

54

30

20 Paar

– 1756 – 1765

41

41

13

– 1766 – 1775

62

51

19

– 1776 – 1783

76

63

21

 

Daß die Anzahl der Gebohrnen und Gestorbenen in den letzten 18 Jahren merklich zugenommen hat, kommt von dem neuen Anbau bey dem Schlößchen her“, so ein Chronist im Jahre 1785.

__________________

*) Einem Dorfe bei Berlin.
**) In anderen Gegenden Deutschlands: Mieder.
***) Wenn nach untergegangner Sonne, der Wind die Wolken von Osten gegen Westen treibt; so sagt der Landmann: die Abendröthe zieht über Land , und verspricht sich für den folgenden Tag heiteres Wetter.

Schulzendorf? Wann bin ich dort wohl zuletzt gewesen? Dies mag der eine oder andere Leser dieser Zeilen sich fragen. Seit dem Bau der Bundesfernstraße und der Sperrung der Ruppiner Chaussee für den Durchgangsverkehr ist es hier ruhig geworden. Auch die traditionellen Ziele von Ausflüglern, die einstigen Gaststätten „Sommerlust“ und „Lindenhof“ mit Getränkeausschank Sommerfestund Sitzmöglichkeiten gegenüberliegend an der anderen Straßenseite, am Waldrand, gibt es nicht mehr. Doch nicht nur in den 1950er Jahren kehrten hier an schönen Tagen unzählige Besucher ein. Bereits im 19. Jahrhundert zog es sonntags trotz der Entfernung von über 1 ½ Meilen ab Oranienburger Tor viele Berliner nach Schulzendorf. So ist überliefert, dass im Juni 1857 der Berliner Domchor ein Gesangfest im Grünen veranstaltete, das tausende (!) Berliner bei gutem Wetter erfreute. Die Chaussee nach Tegel und weiter nach Schulzendorf war bis 7 Uhr abends mit hinausfahrende und bis nach Mitternacht mit zurückfahrenden Wagen „bedeckt“. Seit 1854 fuhr im Mai oder Juni jeden Jahres der „Verein der Berliner Künstler“ mit Ehefrauen und Kindern in Kremsern vom Oranienburger Tor aus nach Schulzendorf, um im Wald zu lagern und bei Kaffee und Bier ein Künstlerfest zu feiern. Seit 1868 konnten hier sogar Nicht-Mitglieder teilnehmen.

Vielleicht haben diese Feste Paul Lindau angeregt, 1881 seinen 42. Geburtstag im grünen Schulzendorf zu feiern. Doch wer war Paul Lindau? Lindau (geb. 3.6.1839, verst. 31.1.1919), der Philosophie und Literaturgeschichte studierte, wurde als Schriftsteller, Journalist und Theaterleiter bekannt. Von der Wochenschrift „Die Gegenwart“ über den Romanzyklus „Berlin“ mit den drei Bänden „Der Zug nach dem Westen“, „Arme Mädchen“ und „Spitzen“ sowie „Ausflüge ins Kriminalistische“ seien nur ganz wenige Werke genannt.

Sommerfest 2Lindau wollte seinen Geburtstag als einen „besonders solennen Actus“ feiern. Ein Waldfest sollte es werden. Alles sollte aufs Prächtigste arrangiert werden. Als „poesieumsponnene“ Waldecke wählte er Schulzendorf aus. In dem bei Tegel gelegenen Dorf, das trotz seines Namens nie ein Dorf im eigentlichen Sinne war, gab es einen „großen“ und einen „kleinen“ Gastwirt, d. h. einen von bedeutendem und einen von weniger bedeutendem Ruf. In der Überlieferung wurden die Namen der beiden Gastwirte nicht genannt. Doch bei dem „großen“ Wirt dürfte es sich um Gottlieb Wagner gehandelt haben. Über sein Restaurant schrieb das Niederbarnimer Kreisblatt am 28.4.1880 den abgebildeten kleinen Artikel. Lindau begab sich natürlich zu dem „großen“ Wirt und erklärte ihm, dass er am Folgetag (!) mit einer größeren Gesellschaft einen wichtigen Tag feiern wolle. Die Gesellschaft würde alle Konsumartikel wie Fleisch und Wein, ja bis zu den Erdbeeren hin selbst mitbringen. Er, der Wirt, hätte nur die „unwichtigen Ingredienzien“, insbesondere Bestecke, Gläser, Servietten, Eis (nur das zum Kühlen) und andere ungenießbare, aber erforderliche Dinge zu liefern. Für die ganze „chose“ sollte der Wirt seine Pauschalforderung nennen. Der Gastwirt dachte sicher, dass solch ein Gast nicht jeden Tag vorbeikommen würde. Er nannte einen derart hohen Betrag, der ausgereicht hätte, auch alle essbaren Bestandteile des Picknicks davon zu beschaffen. Höchst indigniert verließ Lindau die Schwelle des „großen“ (sprich: teuren) Gastwirts und ging zum „kleinen“. Der tat´s billiger, man wurde sich schnell handelseinig.

Am kommenden Nachmittag war auch in Schulzendorf schönes Wetter. Der Wind wehte nur schwach, der Himmel war wolkenlos und das Thermometer zeigte 19o C an. Ein richtiger Festzug traf ein, allen voran ein Spitzreiter in altdeutscher Tracht, gefolgt von einem Kremser mit Musik. Es schlossen dann der Gastgeber und seine Gäste an, zu denen Graf Wilhelm von Bismarck (Reichstagsabgeordneter und Sohn des Reichskanzlers), Graf Limburg-Stirum (Staatssekretär im Auswärtiges Amt), Legationsrat Lindau, Generalkonsul Landau, Herr von Schönthan (Dichter) und weitere zwei oder drei Dutzend zwar weniger berühmte, aber ebenfalls verdienstvolle Persönlichkeiten, teilweise in Begleitung ihrer „besseren Hälften“. Den Festzug beschloss ein geheimnis- und verheißungsvoll aussehender Wagen „Huster´scher Provenienz“1.

Sommerfest 3Der „kleine“ Gastwirt lieferte dem Proviantwagen seine Zutaten, eine poetische Waldecke wurde gefunden, Trompetenfanfaren signalisierten den Beginn des Picknicks. Dem Proviantwagen wurden zunächst einige Klappstühle entnommen, gepolsterte Fußschemel für die Damen folgten. Auch im Wald sollte nichts fehlen. Zur mitgebrachten kalten Küche gehörten gefüllte Poularden, Gänseleberpasteten, kostbare Fische in Gelee, Hummermayonnaise usw. Große Schüsseln mit Erdbeeren (zum Preis von 200 Mark, wie der Gastgeber versicherte!) wurden gereicht, Mosel- und Rheinweine angeboten, Champagnerkühler standen bereit, Bowlengläser erklangen. Witze waren schon zu hören, Toasts auf den Gastgeber wurden ausgesprochen.

Da nahte Ungemach in Gestalt des „großen“ Gastwirts, begleitet von zwei handfesten Hausknechten und „zwei recht unternehmend aussehenden Kötern“. Er forderte Lindau in kategorischer Weise auf, den Platz zu räumen, weil das Areal ihm gehören würde. Dem Geburtstagskind war das natürlich peinlich. Er nahm den Gastwirt zur Seite und flüsterte ihm zu, doch einen Skandal zu vermeiden, denn seine Gäste wären „Personen allerhöchsten Ranges“. „Was!“ schrie der erboste, sich geschädigt fühlende Wirt, „das wollen noble Leute sein und liegen hier im Grase und fressen wie die .….?“ Bei diesem Vergleich mit dem Tierreich sprangen die Damen von den Stühlen, die Herren postierten sich wie zu einer Schlachtlinie. Der Wirt verschwand, nicht ohne zu drohen, dass er gleich wiederkommen und zeigen würde, was eine Harke wäre.

Tatsächlich erschien er bald wieder, nun nicht nur in Hausknecht- und Hundebegleitung, sondern auch unter dem Schutz eines bewaffneten Landgendarmen. Er wiederholte den Vorwurf, dass die Gesellschaft auf seinem Grund und Boden feiern würde. Statt Personen von hohem Rang wären hier sicher Schwindler und „Schlemmer“. Nun wurde die Stimmung der Gesellschaft immer gereizter. Paul Lindau bat den Grafen von Bismarck, doch dem Gendarmen zu sagen, wer er sei. Den Landgendarmen umringten inzwischen andere Persönlichkeiten und forderten ihn auf, sie gegen die Beleidigungen des Wirtes zu schützen. Nun stellte sich von Bismarck dem Gendarmen vor und verlangte Schutz. „Und ich bin Graf Limburg-Stirum vom Auswärtigen Amt“, nannte jetzt auch dieser seinen Namen. „Das kann Jeder sagen“, ereiferte sich der Gastwirt, „beweisen Sie das!“ Nun wollte auch der Uniformierte Papiere darüber sehen, dass von Bismarck tatsächlich der sei, für den er sich ausgab. „Es ist gegen meine Gepflogenheiten, auf Landpartien Legitimationspapiere mitzunehmen“, erwiderte von Bismarck. „ Hier ist meine Karte, und wenn Ihnen diese nicht genügt, dann bringen Sie mir eine Vorladung vor Ihr Schulzenamt in meine Wohnung, Wilhelmstraße 76, Reichskanzlerpalais. Ich werde pünktlich erscheinen“. „Ich werde mich hüten“, war die klassische Antwort des Gendarmen, „und werde zu Bismarck´n gehen; da könnt´ ich schöne rausfliegen“. Hochgradig erregt verlangte dann noch Generalkonsul Landau die Bestrafung des Gastwirts wegen des Satzes „… über das Fressen wie die ….“

Nun entstanden Handgreiflichkeiten, die Hausknechte krempelten Ihre Ärmel hoch, die Hunde wurden von der Gesellschaft mit Stockschlägen mühsam abgewehrt. Dem Eingreifen des Gendarmen und seinem obrigkeitlichen Machtwort war es zu verdanken, dass eine Beschwichtigung eintrat. Auf Weisung verließ die Geburtstagsgesellschaft den Platz und setzte das Fest auf einem Areal fort, das zum Terrain des „kleinen“ Gastwirts gehörte.

Doch der Landgendarm hatte ein unruhiges Gewissen. Vielleicht ging ihm zudem durch den Kopf, dass er am heutigen Tag ungeachtet seines ja festgelegten Distrikts viel lieber Dienst im Dörfchen Tegel versehen hätte. Hier wurde bestimmt angenehmer gefeiert, und zwar die Einweihung der Pferdebahn durch geladene Gäste. So kehrte er jedenfalls nach Tegel zurück und berichtete dem „Ortsvorstand“2 über das Geschehene und insbesondere über jenen Mann, der unter Missbrauch eines hochangesehenen Namens sich als Wilhelm von Bismarck ausgab. Der „Ortsvorstand“ ahnte Unheil. Er kannte den Grafen und fürchtete, dass der Gendarm einen ungeheuerlichen Fehlgriff getan hatte. Beide gingen nach Schulzendorf, wo Wilhelm von Bismarck sogleich dem „Ortsvorstand“ entgegentrat. Damit waren die schlimmsten Befürchtungen des Herbeigeeilten noch übertroffen. Eine Flut von Vorwürfen ergoss sich über den Gendarmen. Die Gesellschaft aber war froh, dass sich die Angelegenheit aufgeklärt hatte. Sie nahm nun sogar den armen Gendarmen in Schutz und lud den Tegeler „Ortsvorstand“ ein, doch mit von der Partie zu sein. So endete die Geburtstagsfeier noch in Harmonie.

Paul Lindau wird mit Sicherheit nie wieder ein Picknick in einer lauschigen Waldecke veranstaltet haben, ohne vorher die Besitzverhältnisse des Terrains geklärt zu haben. Graf Wilhelm von Bismarck soll seinem Vater das Erlebte „als schätzbares Material zu einer Novelle zum Forstschutzgesetz“ unterbreitet haben. Für Paul Lindau könnte das Erlebnis Stoff für eine Novelle in einem Roman gewesen sein. Ob daraus aber wirklich gleich zwei ganz unterschiedliche Novellen entstanden sind, ist nicht bekannt.

Restaurateur Wagner aber soll fortan als „Grober Gottlieb“ bezeichnet worden sein.

Gerhard Völzmann


1 A. Huster war Hof-Tracteur (Garkoch, Speisewirt) Seiner Majestät des Kaisers und Königs und Koch auf Bestellung in Berlin W, Mohrenstraße 49.

2 Die Amtsbezeichnung wurde ungenau überliefert. Dadurch ist es nicht eindeutig, ob in Tegel der Gemeindevorsteher Ziekow oder aber der Amtsvorsteher Brunow – als Ortspolizeibehörde – gemeint war. Gendarmen unterstanden der unmittelbaren militärischen Aufsicht durch Gendarmerieoffiziere und Oberwachtmeister, waren mithin nicht den Ortspolizeibehörden unterstellt. Sie hatten aber Aufforderungen dieser Behörde zu befolgen.

Wer sich in der Geschichte des Tegeler Gutes ein wenig auskennt, der wird bei der Erwähnung einer Plantage stets an die dortige Maulbeerbaumzucht denken. Die einstige königliche Domäne „Schlößchen und kleines Vorwerk Tegel“ ging am 23.1.1752 durch Erbpachtverschreibung an den Kammerdiener des Prinzen Ferdinand, Christian Ludwig Möhring über mit der ausdrücklichen Verpflichtung, 10.000 Maulbeerbäume anzupflanzen und die Plantagen natürlich auch zu unterhalten. Die Blätter dieser Bäume dienten den Seidenraupen als Futter, während aus deren Kokons Seidenfäden und nachfolgend Seidenstoffe gewonnen wurden. Schlechter Boden, Wildfraß und zu kleine Anbauflächen machten es Möhring und späteren Besitzern des Gutes unmöglich, den Kontrakt hinsichtlich der Maulbeerbäume zu erfüllen. Auch eine Minderung der Zahl der Bäume auf zuletzt nur noch 1.000 änderte nichts daran, dass der Kostenaufwand stets den Nutzen überstieg. Wilhelm von Humboldt, der nach dem Tod seiner Mutter und der Erbteilung mit seinem Bruder Alexander alleiniger Eigentümer des Gutes wurde, gelang schließlich 1803 durch Zahlung einer Ablösungssumme von 500 Talern eine Aufhebung der Verbindlichkeiten hinsichtlich des Unterhalts der Maulbeerbaum-Plantagen.

zuckerrohr tegelWeniger bekannt ist die Tatsache, dass auf dem Tegeler Gut auch der Versuch unternommen wurde, eine Zuckerrohr-Plantage anzulegen. Dies hätte dazu führen können, dass vor den Toren Berlins ein ganz neuer Industriezweig entstanden wäre. Doch dazu kam es nicht, wie nachfolgend etwas genauer geschildert wird.

Vor der Entdeckung und Gewinnung von Zucker aus Zuckerrüben war Rohrzucker ein kostspieliges Luxusgut für reichere Leute. Er wurde zumeist aus Westindien importiert. Sollte es nicht möglich sein, ihn auch in Deutschland herzustellen? Zu den Personen, die sich hierüber Gedanken machten, zählte nicht zuletzt Alexander von Humboldt. Er „widmete dem Zucker vorzügliche Aufmerksamkeit“ auf seinen Reisen, hieß es in einer Aufzeichnung. Bei einer großen Reise in die „amerikanischen Tropen“ hatte er „einen tiefen Eindruck“ von riesigen Zuckerrohrplantagen und auch von den enormen Einnahmen der dortigen Pflanzer erfahren. Wieder nach Tegel zurückgekehrt, bestellte von Humboldt eine Ladung junger Zuckerrohrpflanzen und zudem Samen. Auf dem Gut, dass im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts ja noch ihm zusammen mit seinem Bruder Wilhelm gehörte, richtete er eine regelrechte Plantage ein, deren Ernte dann einer neuen Zuckerfabrikation zugeführt werden sollte.

Doch das Vorhaben sollte sich schnell als eine Fehlinvestition erweisen, so sehr sich Alexander von Humboldt auch anstrengte und mit Sachverstand die Pflege betrieb. Die Schuldigen standen schnell fest. Es waren Hasen, die zu damaligen Zeiten in weitaus größerer Anzahl als heute in den Wäldern um Berlin herum lebten. Während das zur Familie der Süßgräser gehörende Gewächs anfangs prächtig gedieh, fanden Meister Lampe und seine zahlreichen Nachkommenschaften Gefallen an den süßen Trieben. Der Naturforscher, der ja auch kein Jäger war, verzweifelte schließlich an seinem Vorhaben.

Zum Teil zeitgleich geschah noch etwas anderes. Auf dem Gut in Kaulsdorf, ebenfalls nahe von Berlin, stellte der Chemiker Franz Karl Achard (1753 – 1821) nämlich im Stillen Versuche an, eine möglichst zuckerhaltige Rübe zu züchten. Hierzu ist zu bemerken, dass die Runkelrübe bisher nur als Schweinefutter Verwendung fand. Achard war zuvor ein Schüler von Andreas Sigmund Marggraf (1709 – 1782), der schon 1747 den Zuckergehalt der Runkelrübe entdeckt hatte. Über diese wissenschaftliche Feststellung hinaus geschah aber nichts. Insofern griff Achard „nur“ das auf, was ja Marggraf bereits erkannte. Er ging die praktische Seite der Züchtung einer zuckerhaltigeren Rübe an. Nach anfänglichen Misserfolgen und vielen Schwierigkeiten stellten sich die Versuche in Kaulsdorf, später Französisch Buchholz und Cunern, schließlich als Erfolg dar. Dadurch stand in der Umgebung von Berlin, auf den Versuchsfeldern von Kaulsdorf, praktisch die Wiege der deutschen Zuckerindustrie. Eine Gedenktafel in Kaulsdorf erinnert an Achard, Chemiker und Mitglied der Akademie der Wissenschaften, der durch seine Versuche die späteren Grundlagen der fabrikmäßigen Herstellung von Zucker schuf.

In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass bis 1788 in Berlin und der Kurmark die Zuckersiederei der Firma Splittgerber (später Gebrüder Schickler) ein Monopol besaß. Der Große Kurfürst hatte nämlich die Gründung der ersten Zuckersiederei in Berlin mit viel Kapital unterstützt und zudem auf fremden Zucker 1 Groschen Steuer pro Pfund eingeführt. Friedrich Wilhelm II hob das Monopol auf. Neue Fabriken entstanden, so 1792 die von Rönnenkamp. Später entstand hieraus ein Aktien-Unternehmen, übrigens das erste in Berlin! Gegen dieses Unternehmen protestierten sowohl die Splittgerberschen Erben wie auch ein Fabrikant namens Jordan. Die erstgenannten Erben beriefen sich darauf, dass sie „auf dringendes Verlangen des Kurfürsten“ mit „ungeheurem“ Aufwand und viel „Wagung ihres ganzen Glückes“ die Raffinerie eingerichtet hatten. Jordan sah die Gefahr eines neuen Monopols durch eine kapitalstarke Aktiengesellschaft aufziehen. Tatsächlich ging der König auf die Bedenken ein und verbot die Übernahme der Rönnenkampschen Fabrik durch eine Aktiengesellschaft. Diese bezog sich wiederum auf ihre am 22.10.1793 erhaltene Konzession und drohte mit gerichtlichen Auseinandersetzungen. 1798 gab der König endlich unter einschränkenden Bedingungen nach. Er legte fest, dass es nur 320 Aktien á 250 Taler geben durfte. Nur Mitglieder der Kaufmannschaft der Material-Handlung durften sie erwerben. Die Fabrikation durfte auch nicht stärker werden, als sie einst von Schickler betrieben wurde. Das Aktien-Unternehmen trug den Namen Berlinische Zuckersiederei-Compagnie. Es wurde 1859 aufgelöst, nachdem es zuletzt mit einer „Unterbilanz“ von 16.000 Talern gearbeitet hatte. In den rund 67 Jahren des Firmen-Bestehens brachten die Aktien immerhin eine durchschnittliche Dividende von 19 Prozent. Selbst bei der Liquidation wurden noch 1.200 Taler pro Aktie ausgezahlt. Die Fabrik in der Holzmarktstraße 12 – 14 erwarben die Herren Schulze und Kahlbaum für 90.000 Taler.

Soweit unsere Betrachtungen über die Gewinnung von Zucker aus Runkelrüben, über die Alexander von Humboldts Plan einer Zuckerrohr-Plantage in Tegel in Vergessenheit geriet.

Vom 1.7.1830 an wurde es ruhiger in der Umgebung von Tegel. Nun war der gelegentliche Peitschenknall des Postillions hoch auf dem gelben Wagen nicht mehr zu hören. Der melodische Klang des Posthorns blieb aus, wenn die Postkutsche ein langsameres Fuhrwerk überholen wollte. Bisher verkehrte die Hamburger Fahrpost am Dienstag um 20 Uhr und am Mittwoch und Sonnabend um 10 Uhr über Tegel, Hennigsdorf, Kremmen, Fehrbellin, Perleberg und Boitzenburg nach Hamburg. Sie traf dort am Freitag um 4.30 Uhr und am Freitag, Sonntag und Montag um 20.15 Uhr ein. Von dort aus ging es Dienstag, Donnerstag und Freitag um 15 Uhr und am Montag um 17 Uhr zurück nach Berlin, um hier am Freitag, Sonntag und Montag um 2.30 Uhr und am Donnerstag um 2 Uhr einzutreffen. Für die gesamte Strecke war unter Beachtung der unterschiedlichen Währungen ein Personen- und Einschreibegeld von 8 Rthlr. 18 ½ Sgr. zu zahlen. Ein kleines Reisegepäck bis 10 Pfund war kostenfrei. Doch nun verkehrten die Posten über Staaken, Nauen und Friesack auf der neuen Kunststraße nach Hamburg.
Wie aber wurden damals die Bewohner Tegels mit Post versorgt? Die „Correspondenz“ nach den zwei Meilen im Umkreis der Residenz gelegenen Dorfschaften und Etablissements, auch nach Tegel, wurde durch besondere Landboten abgefertigt. Zweimal wöchentlich, und zwar mittwochs und sonnabends, brachte der Landbote die Post nach Tegel sowie nach Blankenfelde, Dahldorf (Wittenau), Hermsdorf, Reinickendorf, Rosenthal und Schönholz. Der Bote war angewiesen, auf dem Lande Briefe nach Berlin und weitergehende unfrankierte Correspondenz anzunehmen.
Wer von Tegel aus nach Berlin fuhr und dort einen Brief aufgeben wollte, der erreichte vor dem Oranienburger Tor in der Oranienburger Chaussee (heutige Chausseestr.) im Haus Nr. 9 die nächstgelegene, mit einem Schild „Königliche Briefsammlung No. 61“ versehene Annahmestelle (1837).

Über eine ganz besondere Luftpostverbindung von Tegel nach Berlin berichtete eine Berliner Zeitung am 28.6.1860

Im Juni 1849 wurde ein weiterer Abschnitt der Chaussee über ihren bisherigen Endpunkt hinaus (heute Seidelstraße) in Richtung Tegel bis Hennigsdorf und im März 1851 bis Ruppin fertig gestellt. Die Post nahm dies zum Anlass, am 4.4.1851 im Amtsblatt zu veröffentlichen, dass „in Folge der stattgehabten Vollendung der neuen Chaussee zwischen Berlin und Neu-Ruppin über Hennigsdorf, Cremmen und Herzberg in der Mark“ vom 1.4.1851 Veränderungen der Postverbindungen eintraten. Es wurde eine zweispännige Personenpost zwischen Berlin und Neu-Ruppin mit sechssitzigen Wagen eingerichtet, die täglich um 23 Uhr in Berlin abfuhren. Eine Personenaufnahme fand u. a. „beim Chausseehause unweit des Artillerie-Übungsplatzes 1 Meile von Berlin, 1 ¾ Meilen von Hennigsdorf“ entfernt statt. Damit war das Chausseehaus Rehberge gemeint. Nächster Haltepunkt für die Aufnahme von Personen war dann „in Tegel beim Kruge, 1 ¾ Meilen von Berlin und 1 Meile von Hennigsdorf entfernt“. Der Krug war das heutige Restaurant „Alter Fritz“. Wann die Postkutsche hier eintraf, stand nicht in der Veröffentlichung. Zwischen 1 Uhr und 1.10 Uhr nachts waren die Reisenden jedenfalls in Hennigsdorf und um 6.45 Uhr in Neuruppin.
In den 1860-er Jahren versorgte Landbriefträger Lucke die Tegeler Einwohner mit Post. Im Juli 1870 wurde ihm allerdings die Verwaltung der Postexpedition in Lichtenrade übertragen. Ein Landbriefträger erhielt im Jahre 1861 eine „Löhnung“ von bis zu 120 Talern jährlich. Für die Anstellung (insbesondere von Militär-Invaliden) musste eine Kaution in Höhe von 50 Talern in „courshabenden Papieren“ hinterlegt werden.

Über eine ganz besondere Luftpostverbindung von Tegel nach Berlin berichtete eine Berliner Zeitung am 28.6.1860

Der Landbriefträger bestellte (Stand 1867) seine Post in Tegel an allen Wochentagen einmal täglich. Sonntags, am Karfreitag, am ersten Weihnachtsfeiertag, am Bußtag und am Himmelfahrtstag erfolgte keine Briefzustellung. Das Landbriefbestellgeld betrug für gewöhnliche Briefe bis zu einem Gewicht von 15 Loth, welche bei den Berliner Postannahmestellen eingeliefert wurden, 1 Groschen/Stück. Gingen Postsendungen mit den Postbeförderungs-Gelegenheiten in Berlin ein, war ein Entgelt von ½ Groschen an Bestellgeld zu entrichten.
Ohne Zweifel war es ein großer Fortschritt, als in Tegel im Juli 1873 eine Postexpedition zweiter Klasse eröffnet wurde. Nun konnten die Einwohner Ihre Briefe und Pakete in der Schloßstraße 23 bei dem Postexpediteur, Kaufmann und späteren Gastwirt Vogel abgeben. Der Einrichtung der Expedition war sogar eine Befragung der Tegeler vorausgegangen, ob sie eine Beförderung der Postsachen durch die Berlin – Ruppiner oder aber durch die Berlin – Strelitzer Post wünschten. Natürlich hätte es nahe gelegen, sich für die durch Tegel fahrende Berlin – Ruppiner Post zu entscheiden. Doch die Majorität der Befragten wünschte eine Anbindung an die Berlin – Strelitzer Post in Hermsdorf. Der Grund war einleuchtend: Die Post nach Ruppin verließ Berlin um 23 Uhr, während die nach Strelitz früh in Berlin abging. Sie konnte noch die nachts in Berlin eingehenden Poststücke wie auch die aktuellen Tageszeitungen mitnehmen. Für den Tegeler Postboten bedeutete dies allerdings, gegen 8 Uhr in dem eine halbe Meile entfernten Hermsdorf die Post in Empfang nehmen zu müssen. Gegen 9 Uhr traf er damit in Tegel ein und verteilte dann die Briefe in den umliegenden Ortschaften und Etablissements. Nachmittags musste er wieder mit der aufzugebenden Post nach Hermsdorf. Hier ging die Post nach Berlin gegen 15.30 Uhr ab.
Am 16.12.1876, Tegel hatte jetzt bereits (seit 1874?) ein Postamt, wurde eine Telegrafenanstalt mit beschränktem Tagesdienst eröffnet. Nun konnten an den Wochentagen von 9 – 12 vormittags und von 2 – 5 Uhr nachmittags Depeschen aufgegeben werden.
Vom 20.9.1880 an wurden die Stationen für regelmäßige Posten und Beiwagen in Kremmen und Hennigsdorf wie auch die tägliche Personenpost Berlin – Kremmen aufgehoben.
Bereits ab 1.10.1882 wurden im Interesse einer besseren Postverbindung der Ortschaften in der nächsten Umgebung mit Berlin einspännige Kariolposten eingeführt. Zu diesem Zweck wurde die Umgebung der Stadt in insgesamt 7 Kariolpost-Reviere eingeteilt. Das vierte Revier umfasste die Tour von Charlottenburg über Moabit, Stadtpostamt Nr. 39, Gesundbrunnen, Pankow, Reinickendorf, Dalldorf, Tegel, Tegeler Landstraße, Plötzensee, „Martinsfeld“ (Martinikenfelde) und endete wieder in Charlottenburg.
Zumindest in der Zeit ab 1884 unterhielt die Post in Tegel eine Koppelanlage mit Stallungen für 22 Pferde. August Wietholz, Chronist von Tegel, äußerte sich hierzu wie folgt:
Es (das Grundstück) diente früher als Erholungsstätte für kranke Postpferde, versorgte Tegel im Überfluss mit Fliegen und sonstigen Insekten und hinderte die Durchlegung der Treskowstraße. Es gehörte der Kaiserlichen Ober-Postdirektion Berlin und wurde im Jahre 1909 zum Gesamt-Flächeninhalt von 8608 qm für den Preis von 218082 Mark von der Gemeinde erworben.
Werfen wir nun einen Blick auf auf die Entwicklung des Fernsprechnetzes. Als 1881 in Tegel Telefon eingerichtet wurde, meldeten sich 11 Teilnehmer an. Den ersten Anschluss (Telefonnummer 1) hatte der damalige Gastwirt Ewest, Hauptstr. 6 (jetzige Straße Alt-Tegel). Er zahlte eine Jahresgebühr von 200 Mark.
Vom August 1891 an richtete die Ober-Postdirektion in Berlin, Abteilung Fernsprechverkehr, einen besonderen Service für Sommerfrischler ein, die sich in der Umgebung der Stadt aufhielten. Die Beamten der öffentlichen Fernsprechstellen in den Vororten Berlins, so auch in Tegel, wurden angewiesen, auf Verlangen eines Fernsprechteilnehmers aus Berlin auch einen Nichtteilnehmer des Fernsprechnetzes durch einen Boten zur öffentlichen Fernsprechstelle holen zu lassen. Der Betreffende durfte allerdings nicht zu weit vom Postamt entfernt wohnen. Für das Holen war eine festgesetzte Gebühr zu bezahlen. Es ist schon erstaunlich, dass für eine derartige Dienstleistung, die ja zeitlich nicht voraussehbar war, ein Bote zur Verfügung stand.
Ab 1.10.1895 waren Telefonate von Tegel nach Ludwigsfelde möglich. Ein Gespräch  mit einer Dauer von 3 Minuten kostete 1 Mark, während im November 1895 der Fernsprechverkehr zwischen Tegel und Velten begann. Für ein gewöhnliches Gespräch mit einer Dauer von bis zu drei Minuten waren 50 Pfg. zu zahlen.
In den Folgejahren stiegen die Einwohnerzahlen Tegels (1901 = 7439) sowie das Postaufkommen. Das Postamt in der Berliner Str. 4 (1885 Postassistent Dumzlaff, später Vorsteher A. Friedrich, dann Postmeister C. G. Meyer)) wurde deshalb ab 1901 durch einen Neubau in die Bahnhofstr. 2 (jetzige Grußdorfstr. 3-4) verlegt. 1903, 1913 und 1920 erfolgten Erweiterungen und Aufstockungen sowie der Bau eines Fernsprechamtes. Für den Um- und Erweiterungsbau auf dem Tegeler Postgrundstück wurde 1921 in den Entwurf zum Reichshaushalt ein Schlussbetrag von 1821400 Mark eingestellt.
Bereits durch Erlass v. 8. Januar 1912, also noch vor der Eingemeindung zur Stadt Berlin, führte das Postamt die Bezeichnung Berlin-Tegel und ab 1928 Berlin-Tegel 1. Am 7.10.1934 wurde das Tegeler Fernsprechamt auf Wählerbetrieb umgeschaltet, es hieß fortan Vermittlungsstelle Tegel-W. Das „Fräulein vom Amt“ entfiel nun für die etwa 1400 Telefonteilnehmer, die auch in Waidmannslust, Hermsdorf, Lübars, Hennigsdorf, Glienicke und Heiligensee wohnten.
Im September 1936 zog die Belegschaft des Postamtes in neue Schalterräume. Das Amt hatte zu dieser Zeit über 100 Beschäftigte. 8 Vollagenturen gehörten zum Bereich des Postamtes. Während des zweiten Weltkrieges konnte das Postamt noch bis zum Abend des 21.4.1945 seinen Betrieb bis hin zu Geldauszahlungen aufrechterhalten. Nach Kriegsende wurde der Postbetrieb bereits ab 16.6.1945 wieder aufgenommen. Am  Stichtag 27.6.1945 gab es die Postämter Tegel 1, Bahnhofstraße 3, Tegel 2, Allmendeweg 79, Tegel 3, Waidmannsluster Damm 29 und Tegel 4, Kamener Weg 27.

Vor 120 Jahren trieben Not und Elend eine Frau zu einer Verzweiflungstat, die mit einer erschütternden Tragödie endete.

Rückblickend war es eine glückliche Ehe, die die Lenglings führten. 1892 hatten sie gerade die neue Wohnung in Berlin N, Choriner Straße 22 bezogen. Nicht einmal kleine Wölkchen trübten das stille Glück der Familie, zu der die Söhne Max und Paul gehörten. Für den Unterhalt sorgte A. Lengling durch seine Arbeit als Bierfahrer. Das Einkommen hielt selbst kleine Alltagssorgen fern. Karoline Lengling kümmerte sich um den Haushalt und die Kinder.

Doch das Glück sollte nicht von Dauer sein. Beim Familienvater setzte eine lange andauernde, schleichende Krankheit ein, die schließlich dazu führte, dass A. Lengling seine Arbeit verlor. Opferbereit pflegte die Ehefrau den Mann. Die Familie logierte auch in der Tegeler Hauptstraße 18 b bei dem Gastwirt C. Pump in der Hoffnung, dass eine Genesung einsetzen würde. Damit wurde natürlich viel gespartes Geld aufgebraucht. Schließlich zerbrach das Glück der Familie völlig durch den Tod des Mannes und Vaters.

Frau Lengling war wenig geschäftskundig, sie hatte bisher keine Lohnarbeit verrichtet. Nun musste sie sehen, zunächst einen Beruf zu erlernen. Sie entschied sich für die Mäntelnäherei und absolvierte auch eine Lehrzeit, die aber den Rest des Ersparten völlig aufzehrte. Als die Witwe nach der Lehre daran denken konnte, Geld zu verdienen, griffen Kummer und Sorgen ihre Gesundheit an. Höchstens 8 oder 9 Mark in der Woche erreichte Karoline Lengling, zu wenig, um davon leben zu können. Meist war es noch weniger Geld, weil ihre Krankheit das Maschinennähen nicht zuließ.

Die Gaststätte von C. Pump mit dem Bootssteg im Hintergrund (1897)

Schließlich konnte die Familie nicht einmal mehr den Hunger stillen. Doch die Witwe war zu stolz, um anderen Leuten ihr Leid zu klagen. Indes entging den Nachbarn die Lage nicht. Waren einmal die beiden Jungen bei ihnen in der Wohnung, stürzten sich Max und Paul selbst auf leere Teller, die noch auf dem Tisch standen, und leckten diese ab. Die Nachbarn waren so gerührt, dass sie gelegentlich die für die eigenen Kinder vorgesehenen Mahlzeiten den halb verhungerten Nachbarskindern gaben.
Für die Mutter gab es nichts. Ihre Kräfte schwanden mehr und mehr. Sie sah sich nicht mehr in der Lage, für den Lebensunterhalt sorgen zu können, und fasste den Entschluss, gemeinsam mit den Kindern aus dem Leben zu scheiden. Am 7.11.1894 erzählte die Witwe den Nachbarn, sich einen Ruhetag gönnen und mit den Kindern nach Tegel  gehen zu wollen. Sie würde den Restaurateur Pump besuchen, bei dem ja die ganze Familie im Sommerlogis gewohnt hatte.
Die Lenglings wanderten auch tatsächlich nach Tegel, ohne aber bei Pump einzukehren. Vielmehr gingen Mutter und Kinder bis zum Dampferanlegesteg. Hier sollte der ältere Sohn, der 7-jährige Max, eine unterwegs geleerte Flasche ausspülen. Als sich das Kind tief auf das Wasser beugte, gab ihm die Mutter einen Stoß, dass es hinabstürzte. Gleichzeitig ergriff die Mutter eine Hand des 5-jährigen Paul und sprang mit diesem in das kalte Wasser. Beide Kinder riefen laut um Hilfe. Die gellenden Rufe vernahm Gastwirt Pump. Er lief zusammen mit einem Gast sowie dem Stationsassistenten Krenig zum See. Die drei Männer konnten mit Stangen und Haken Frau Lengling und den Knaben Paul aus dem Wasser retten, während Max nicht entdeckt wurde. Seine Leiche wurde erst am Folgetag angeschwemmt.
Als Pump die halb erstarrte Frau als eine frühere Mieterin wieder erkannte, machte er ihr wegen der Tat Vorwürfe. Davon ließ er aber schnell ab, als die Frau erwiderte: „Ach Gott, hätten Sie mich doch sterben lassen! Ich kann nicht weiter leben!“ Der Gastwirt sorgte dafür, dass die Frau und das Kind trockene Kleidung bekamen. Zum Gemeindeamt gebracht, nahm sie der Gefängniswärter mitfühlend über Nacht in seiner Wohnung auf. Am Folgetag kam die unglückliche Frau dann in das Moabiter Untersuchungsgefängnis.
Frau Lengling wurde des versuchten und des vollendeten Mordes angeklagt. Sie gab die Tat zu und räumte auch ein, mit voller Überlegung gehandelt zu haben. Damit schien der Tatbestand des Mordes erfüllt zu sein. Die Geschworenen des Schwurgerichts des Königlichen Landgerichts II konnten eigentlich nur das „Schuldig“ aussprechen. Für einen vollendeten Mord sah das Gesetz die Todesstrafe vor.
Die Verhandlung vor dem Schwurgericht wurde auf den 14.3.1895, 10 Uhr, anberaumt. Das Interesse der Öffentlichkeit an dem Mordprozess war so groß, dass Eintrittskarten ausgegeben wurden. Der Prozess nahm dann einen Verlauf, der nicht zu erwarten war. Die Angeklagte gab an, dass sie nur sich selbst, nicht die Kinder töten wollte. Sie sei mit den Jungen nach Schönholz gefahren. Hier äußerten die Kinder die Bitte, den Gastwirt Pump in Tegel besuchen zu wollen. Sie sei mitgegangen, könne sich aber „der ganzen Sache“ nicht mehr erinnern. An diesem Tag, so Frau Lengling, habe sie auch nicht vorgehabt, sich das Leben zu nehmen. Heftige Kopfschmerzen hätte sie gehabt.
Nun bekundete eine Zeugin, die Angeklagte habe sich ihr gegenüber geäußert, sich das Leben nehmen und die Kinder nicht zurück lassen zu wollen. Die Zeugin nahm diese Worte nicht ernst. Sie meinte, dass solche Äußerungen ja oft ausgesprochen würden, ohne dass etwas geschah. Für das Gericht war damit die Behauptung der Angeklagten widerlegt, dass die Kinder nicht getötet werden sollten, vielmehr der Hauswirt sie annehmen würde.
Das Gericht stellte weiter fest, dass Frau Lengling oft an Kopfschmerzen litt und dass sie sich in einem jammervollen Ernährungszustand befand. Sie hatte zudem einmal das Rasiermesser ihres verstorbenen Mannes verbrannt aus Furcht, sich damit das Leben zu nehmen. Als sie sich bereits in Haft befand, schrieb sie ihrer Schwester einen konfusen Brief, der auch Grüße an den toten Mann enthielt. All diese Umstände führten Sachverständige zu der Annahme, dass die Angeklagte die Tat in einem Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit unter Ausschluss freier Willensbestimmung ausgeführt hatte. Ganz bestimmt wollten sich die Sachverständigen  aber nicht festlegen. Sie stützten sich auf Vermutungen und Wahrscheinlichkeiten, die vor und nach der Tat zu beobachten waren. Staatsanwalt Barnau vertrat die Ansicht, dass die Angeklagte nicht im Zustand der  Bewusstlosigkeit gehandelt hatte; Überlegung verneinte er aber. Er plädierte für „Schuldig wegen Totschlag unter mildernden Umständen“. Rechtsanwalt Wronker, der die Angeklagte vertrat, plädierte für eine Verneinung der Schuldfrage. In diesem Sinne gaben die Geschworenen ihren „Wahrspruch“ ab, worauf das Gericht auf Freisprechung erkannte.
Der weitere Lebensweg der Frau Lengling sowie der ihres Sohnes Paul ist nicht bekannt.

Wie bereits in einem anderen heimatkundlichen Rückblick ausgeführt, wurde nach einer landespolizeilichen Abnahme einer neuen Pferdeeisenbahnstrecke nach Te­gel, bei der es „nichts zu erinnern“ gab, am Folgetag durch die Grosse Internationale Pferde-Eisenbahn-Aktien-Gesellschaft die Verbindung nach Tegel festlich eröffnet. Nun gab es also vom 4.6.1881 an eine ohne Unterbrechung von der Weidendammer Brücke bis zum Dorf Tegel verkehrende Pferdeeisenbahn. Die neue Bahn nach Tegel trug nicht unerheblich dazu bei, dass sich an den Pfingstfeiertagen des Jahres 1881 (5. u. 6. Juni) gewaltige Menschenmassen mit den Verkehrsmitteln der verschiedenen Unterneh­men „ins Grüne“ begaben. Neben den Straßenbahnen waren dies auch Droschken, Omni­busse, Torwagen und Kremser. Teilweise wurden selbst Arbeitswagen mit improvisierten Bänken ausgestattet und eingesetzt. Durch die Straßenbahnen wurden am Pfingstsonntag 34.124 Mark und am Pfingstmontag 38.908 Mark eingenommen, an beiden Tagen etwa 500.000 Menschen allein durch die Straßenbahnen befördert. Zur Bewältigung dienten 400 Wagen, 2450 Pferde (davon 150 zur Miete!) und beim Personal 1000 „Beamte“, mit Kutschern, Kondukteuren, Kontrolleuren, Weichenstellern und „Stallbeamten“ seien nur die größten Personengruppen genannt.

Die Strecke von der Tegeler Chaussee (heute Müllerstraße / Scharnweberstraße) bis Tegel ging bereits im Folgejahr durch Kauf in das Eigentum der Grossen Berliner Pferde-Eisenbahn-Aktien-Gesellschaft über. „Damit sind sämtliche Hindernisse gehoben, die der Einrichtung einer direkten Linie Weidendammer Brücke – Dorf Tegel entgegenstanden. Mit Einführung des Sommer-Fahrplans wird diese Linie in Betrieb gesetzt werden.“ So berichtete eine Zeitung am 13.4.1882.

Am 3.6.1891 fand aus Anlass des 10-jährigen Jubiläums der Eröffnung der Pferdeeisen­bahn nach Tegel eine Feier im Gesellschaftshaus „Zum Leydecker“ statt. Etwa 70 Perso­nen vergnügten sich bis 3 Uhr morgens.

kurbel

Die Berliner Straße in Tegel (Blickrichtung Schloßstraße) um 1905 mit einer „Kurbel“ der Berliner Straßenbahn aus der Zeit um 1924 (Fotomontage)

Eine Veranstaltung aus Anlass des 20. Jahrestages der Einweihung des Straßenbahnverkehrs nach Tegel war nicht vor-gesehen. Vielmehr erinnerte am 2.6.1901 ein folgenschwerer Zusam-menstoß zweier Straßen-bahnzüge auf fatale Weise zumindest indirekt an den vor zwei Jahrzehnten aufgenommenen Straßenbahnbetrieb. Was war an diesem Sonntag geschehen?

Unzählige Berliner verbrachten den Sommertag in der Umgebung der Großstadt. So hatten sich noch abends um 10 Uhr etwa 3000 Personen (!) an der Endhaltestelle der Straßenbahn in Tegel versammelt. Sie harrten ihrer Rückbeförderung nach Berlin und stürmten jeden einlaufenden Straßenbahnzug. An der Haltestelle stand bereits ein Motorwagen mit zwei angehängten Wagen, alle Sitzplätze waren besetzt. Der Straßenbahnzug war zur Abfahrt bereit. Ein zwischenzeitlich eingetroffener zweiter Zug (der Motorwagen hatte die Nr. 1827), ebenfalls mit zwei Anhängern, hatte schon umrangiert. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Straßenbahn damals noch nicht über die Hauptstraße (Alt-Tegel), Treskowstraße und Schlieperstraße wieder nach Berlin zurückfuhr. Der Führer des zweiten Wagens hatte gerade nach Erhalt des entsprechenden Signals den Stromhebel auf „mäßige Kraft“ gestellt, um in die Abfahrtsweiche hineinzufahren. In diesem Augenblick stürmte das wartende Publikum den Zug. Innerhalb weniger Sekunden standen auf der vorderen Plattform des Motorwagens 14 Personen. Der Wagenführer wurde zur Seite ge­stoßen und der Hebel des Stromgebers dadurch auf „Kraft 9“, also auf die größte Stromstärke geschaltet. Zwar war der Wagenführer bemüht, den Hebel wieder zurückzuziehen, doch sein Oberkörper wurde durch die drängelnden Menschen über die Wand der Plattform gedrückt. straßenbahnEr konnte die Bremsvorrichtung des Wagens nicht betätigen. Mit „unheimlicher Geschwindigkeit“ fuhr der Straßenbahnzug nun auf den vor ihm haltenden Zug „hinauf“. Nun erkannten auch die Fahrgäste die Gefahr und sprangen teilweise von der Plattform ab. Endlich gelang es auch dem Wagenführer, den Strom abzuschalten. Doch es war bereits zu spät. Mit „furchtbarer Gewalt“ erfolgte der Zusam­menstoß der ja insgesamt sechs Straßenbahnwagen. Beide Anhänger des vorderen Zu­ges wurden förmlich ineinander gedrängt, alle Wagen erheblich beschädigt.

Durch den Unfall wurden zehn Fahrgäste verletzt. Drei von ihnen, es waren Kaufleute, hat­ten schwere Verletzungen, zwei trugen Armbrüche und einer einen Hüftknochenbruch da­von. Sie wurden zum Paul-Gerhardt-Stift (Müllerstraße 72/73) gebracht. Sieben weitere Passagiere hatten sich durch Glassplitter verletzt.

Mörtelwerk

Täglicher Anzeiger für die Gemeinde Hermsdorf v. 28.7.1896

Im Januar 1896 meldeten Berliner Zeitungen, dass im Entwurf für den Preußischen Staatshaushalt eine erste Rate in Höhe von 1 500 000 Mark für den Bau eines Gefängnis­ses in Tegel eingestellt wurde. Drei geplante Gefängnisbauten für je 500 Gefangene sowie eine Reservebaracke für 150 – 160 Gefangene sollten das Stadtvoigteigefängnis am Mol­kenmarkt und die Gefängnisse in der Perle­berger Straße sowie in Rummelsburg erset­zen. Mit einer Fertigstellung bis zum Herbst 1898 wurde gerechnet. Im Juli 1896 began­nen dann auf dem vom Fiskus erworbenen „kolossalen“ Gelände westlich der Tegeler Chaussee (heutige Seidelstraße) nahe dem Artillerieschießplatz und der Schwarzen Brücke nach dem Fällen des Kiefernbestan­des die Ausschachtungsarbeiten. Baumate­rialien wurden mittels einer Schmalspurbahn von den am Tegeler See ankernden Kähnen zur Baustelle gebracht.

Im August 1897 waren acht Beamtenwohn­häuser im Rohbau fertig. Von dem „Empfangshaus“ mit Büros und einer Kirche in der Mitte der Wohnhäuser war bereits das Erdgeschoss zu erkennen, während auf dem „Hinterland“ von drei Zellentrakten mit Nebengebäuden ein Gebäude bis zum Dach und die beiden an­deren bis zum dritten Geschoss errichtet waren. Einige „Probezellen“, etwa 3 m lang, 2 ½ m breit und 4 m hoch mit einem 2 m über dem Fußboden liegenden Fenster konnten schon besichtigt werden.

Gefängnis

Das Tegeler Gefängnis mit den beiden Türmen der Anstaltskirche um 1904

Ab 1.10.1898 konnte das Gefängnis mit der Aufnahme von Gefangenen beginnen. Eine Unterbringung von bis zu 1620 Zellengefangenen sowie von bis zu 400 Gefangenen in den Barackengebäuden war möglich. In den drei Zellengebäuden hatten die Zellen unter­schiedliche Bodengrößen von 6 – 10 qm, je nach Haftdauer. Für den Transport der Gefan­genen vom Polizeipräsidium zum Gefängnis wurden anfangs eigens für diesen Zweck ge­baute fensterlose, grün gestrichene Pferdestraßenbahnwagen eingesetzt. Die Strecke vom Molkenmarkt nach Tegel wurde mit einem festen Zeitplan befahren, wobei auch ent­lassene Strafgefangene wieder so nach Berlin gebracht wurden. Die Direktion der Stra­ßenbahngesellschaft erhielt für die Benutzung der Straßenbahngleise eine geringe Ent­schädigung. Ab 1900 wurden die „Dicke Pauline“ genannten Straßenbahnanhänger durch Umstellung der Linie auf elektrischen Betrieb von einem Triebwagen der „Großen Berliner Straßenbahn“ befördert.

Blicken wir nun in das Jahr 1906, als im größten Gefängnis des Kontinents das Weih­nachtsfest begangen wurde. Die Kirche, durch geänderte Bauplanung erst im August 1899 eingeweiht, hatte einen schlichten Altar, darüber eine kleine Orgel mit 12 Registern aus der Werkstatt von Dinse. Einfache Wandmalereien und treffende Bibelsprüche, die – so ein Zeitungsartikel anlässlich der Einweihung – auf Augen und Gemüt wohlthuend wirkten, schmückten das Innere. Die malerische Ausstattung erfolgte unter der Leitung des Kir­chenmalers Krügermann (Schönebeck/Elbe) zum großen Teil durch Gefangene. 16 hohe Fenster mit farbiger Bleiverglasung gaben an hellen Tagen reichlich Licht. Beiderseits des Altars standen Weihnachten 1906 zwei hohe, schlanke Fichten. Weißes flimmerndes Licht der Weihnachtskerzen auf den Bäumen sowie die Beleuchtung durch die Gaskandelaber des Raumes fielen auf die bleichen Gesichter der Gottesdienstbesucher. 440 Sträflinge hatten sich eingefunden, in den terrassenartig angeordneten kleinen Zellen, die während des Gottesdienstes geschlossen wurden, Platz genommen. Das Blechschild mit seiner Nummer steckte jeder Häftling während des Gottesdienstes in die Rückwand des Platzes. Im Dunkel der Kastenzellen waren nur die Köpfe der Insassen zu sehen. Die hellblauen Sträflingsblusen tauchten erst auf, wenn sich ihre Träger mit den Worten des Anstalts­geistlichen erhoben.

postkarte gefängnisDer Prediger las aus der Bibel die Weihnachtsgeschichte vor, das Geläut der Weihnachts­glocken war zu hören, die altbekannten Weihnachtslieder wurden gesungen. In der zehnten Reihe des Raumes, fast in der Mitte, war ein charakteristischer grauer Kopf mit fahlem Antlitz und hohem blanken Schädel, der sich von den dunklen Köpfen seiner Nachbarn ab­zuheben schien. Es war Wilhelm Voigt, bis in die heutigen Tage besser bekannt als Hauptmann von Köpe­nick. Wenn Voigt den Kopf wendete, so wurde überliefert, blitzten seine Brillengläser. Doch nur selten und langsam bewegt sich in seinem fah­len Antlitz ein Muskel, die Augen in den tiefen Höhlen behielten meist ihren vorsichtigen, abwartenden Ausdruck. Der Geistliche von Rawitsch berichtete, dass der Schusterssohn aus Tilsit nie viel von Religion gehalten, vielmehr seine eigene Meinung von Gott und den Menschen hatte. Übrigens gingen bei der Anstaltsleitung für keinen soviel Weihnachtsgaben und -sendungen ein wie für Voigt. Doch das strenge Reglement der Anstalt ließ nicht zu, dass Voigt auch nur eine Gabe davon erhielt.

Während dessen predigte der Anstaltsgeistliche vom verlorenen Sohn und erwähnte ohne Salbung und Pathos auch die Angehörigen, die am Heiligen Abend 1906 den Gatten, Va­ter, Bruder oder Sohn schmerzlich unter dem Weihnachtsbaum vermissen würden. Unter einigen Zuhörern lebte eine rührende Bewegung auf, stilles Schluchzen schien hörbar, bärtige Männer in der ersten Reihe führten bunte Taschentücher zu den Augen, andere neigten den Kopf. Nur der alte Mann in der 10. Reihe, dessen Name alle Welt kannte, hatte weder Heim noch Familie. Er blätterte im Gesangbuch …

Nach dem letzten Lied griffen die Sträflinge ihre Blechmarken und verließen langsam die Zellen in der Kapelle. Einer löschte die Kerzen der Weihnachtsbäume. Aufseher zündeten die Gaslampen in den langen Fluren an. In den Zellen nahmen die Gefangenen ihr Abend­brot ein oder lasen. Immerhin gab es während der Festtage doppelte Lektüre und doppelte Rationen. Zudem konnte sich der Insasse für einen Teil seines Verdienstes das kaufen, was sein Herz begehrte – ausgenommen Spirituosen.

Plötzlich erbrauste vom Mittelpunkt des Flügelbaus aus ein vierstimmiger Chor. Die weihe­vollen Klänge von Beethovens „Hymne an die Nacht“ waren zu hören. Hier und da erscholl anschließend aus den Zellen kräftiger Applaus. Ein auf einer Kiste stehender freundlicher Gesanglehrer gab dann einer gut geschulten Sängerschaft in blauen Kitteln auf seiner Geige den Ton an, dem der Choral „Ehre sei Gott in der Höhe“ folgte. Abschließend ertön­ten dann noch die weichen Klänge „O du fröhliche“. Wohl jeder Insasse mag in seiner Zel­le dem frommen Lied gelauscht haben.

Derweil dämmerte draußen eine milchige Winterlandschaft, während am Rande der Heide Lichter blitzten.

Wilhelm Voigt verbrachten auch die Weihnachtszeit 1907 noch im Tegeler Gefängnis. 1908 reichte er ein Gnadengesuch ein. Dadurch erfolgte auf Grund einer Kabinettsorder des Kaisers seine Freilassung am 16.8.1908 um 15.45 Uhr. Voigt fuhr nach dem Verlassen des Tegeler Gefängnisses mit der Straßenbahn in das Stadtinne­re. Der Straßenbahnschaffner erkannte ihn sofort, so diskret sich der „Ex-Hauptmann“ auch verhielt.

Meine Lage ward durch die späteren Nachrichten weit schwieriger, als sie es bei meiner Abreise aus Kopenhagen war. Wir wissen jetzt die Franzosen nicht allein in Wien; wir haben auch schon Nachricht, daß Napoleon einen großen Sieg in Mähren erfochten hat.

Eggers

Christian Ulrich Detlev von Eggers

Mit diesen Zeilen begann „C. U. D. Freyherr von Eggers, Oberprocureur der Herzogthümer Schleßwig und Holstein, Ritter vom Dannebrog“, am 14. Dezember 1805 in Berlin einen Brief, den er später, 1810, in sein Buch „Reise durch Franken, Baiern, Oesterreich, Preußen und Sachsen“ mit aufnahm.

Doch wer war C. U. D. von Eggers? Christian Ulrich Detlev von Eggers wurde am 11.5.1758 in Itzehoe bei Hamburg geboren. Er studierte an den Universitäten in Kiel, Leipzig, Halle und Göttingen Rechts- und Staatswissenschaften. Später wurde er Professor der Kameralien (Staatswissenschaft) und der Rechte, zudem in Schleswig-Holstein Oberprokurator. 1806 wurde er in den Freiherrrnstand erhoben. Reichsfreiherr von Eggers starb am 21.11.1813 in Kiel.

In dem oben angegebenen Brief berichtete von Eggers über eine Reise, die ihn auf der „gewöhnlichen“ Poststraße über Lenzen und Perleberg nach Berlin führte. Es würde an dieser Stelle zu weit gehen, den gesamten Reiseverlauf zu schildern. Vielmehr soll hier nur die letzte Etappe des Weges beschrieben werden. So lesen wir unter Verwendung der damaligen Rechtschreibung:
Bützow  (heute Bötzow) ist ein großes Kirchdorf in einer unfruchtbaren Gegend, die nur der Nähe der Hauptstadt ihre Kultur verdankt. Man rieth uns zu übernachten, weil der Weg sehr schlecht wäre. Wirklich fanden wir am andern Morgen, dass wir sehr wohl gethan hatten.

Meilenstein+

Im Bildhintergrund links der Tegeler Meilenstein aus der Zeit um 1730, den 1805 auch von Eggers passierte.

Hinter Bützow kommt wieder ein böser Damm. Sand und Tannenholz dauern fast bis Berlin. Bei Henningsdorf ¾ Meilen geht es über die Havel. Nahe dabei ist ein Land- und Brückenzoll (gemeint ist Neubrück). Schulzendorf, 2 Meilen von Berlin, bleibt etwas seitwärts liegen. Eine halbe Meile weiter kommt man zu dem neuen Krug oder Tegel-Krug (heute Restaurant Alter Fritz). Das Dorf Tegel oder Tengel liegt am Tegelschen See, mit welchem die Havel in Verbindung steht. Hier ist das Vorwerk, Schlößchen zum Tengel genannt, ein Forsthaus, Wasser- und Schneidemühle. In diesem Forstrevier hat der Ober-Forstmeister und Forstrath von Burgsdorf seit 1779 die berühmten Anlagen zum Anbau einheimischer und fremder, besonders nordamerikanischer, Holzarten gemacht, die er uns so lehrreich nachher beschrieb. Die Anstalt ist in dem treflichsten Gedeihen. Sie zählt schon über 600 verschiedene Arten. Viele fremde, sonst seltene Holzarten, vorzüglich brauchbar zur künstlichen Verarbeitung, sind schon in bedeutender Menge verpflanzt. Sie werden immer noch vorzüglich zum Holzbau der Forsten und zur Verschönerung des Königlichen Thiergartens angewandt.

Eine Meile von Berlin kömmt man zu dem Chausseehause (heute wäre dies Ende der Seidelstr. / Beginn der Scharnweberstr.); nun rollt man schnell in die Stadt, und findet es, nach dem zurückgelegten bösen Wege ganz billig, daß die letzte Meile, unter der Rubrik  p o s t e  r o y a l e  doppelt bezahlt wird (gemeint war das Chausseegeld). Eine halbe Stunde vor der Stadt liegt an der Panke, ein Vorwerk und Schäferei Wedding genannt. Dieser kleine Fluß entspringt bei Bernau, einer alten Stadt 3 Meilen von Berlin an der Poststraße nach Stettin, und fällt in Berlin auf dem Schiffbauerdamm in die Spree. Längs dem Flusse sind noch einige Kolonisten-Wohnungen, b e i m  W e d d i n g  genannt.

Bei der Visitation am Thor machte man uns nicht die geringste Schwierigkeit. Der Visiteur sagte mir sehr höflich, er könne mich nicht davon dispensiren (befreien), alle verschlossenen Behältnisse zu öffnen; aber dabei ließ er es auch bewenden. „Wir wissen schon, sagte er, wo wir die Contrebande suchen sollen, wenn es darauf ankömmt. Andere verschonen wir gerne mit dem beschwerlichen unnützen Durchsuchen.“ Also brauchen die Preussischen Zollbedienten Conduite (Führung, Betragen), wie die Oesterreichischen Mauthbeamten.

Soweit Freiherr von Eggers Schilderung einer Reise, die ihn 1805 auch zu einem ausführlichen Bericht über Tegel veranlasste. Interessant ist die Erwähnung von Tengel bzw. Schlößchen zum Tengel. Tegel hatte zwar im Verlauf der Geschichte viele Schreibweisen seines Ortsnamens, doch diese gab selbst August Wietholz, Chronist des Ortes, in seiner Urkundensammlung wohl nicht an.

Gerhard Völzmann

„Tegel, Dorf 1 ½ Meilen von Berlin, im Niederbarnimschen Kreise, an der Landstraße nach Hamburg, mit 22 Feuerstellen und 124 Menschen. In dem hiesigen Forstreviere sind sehr viele fremde Holzarten von dem bekannten Forstrathe von Burgsdorf angelegt worden. Dabey ist ein Landhaus, das Schlößchen genannt, mit 7 Feuerstellen und 95 Menschen“.

Bereits vier Jahre nach seinem Tod fand der Name von Burgsdorf Aufnahme in ein Berlin-Lexikon der Gebrüder Gädicke aus dem Jahre 1806. In heutiger Zeit ist der einstige Geheimrat und Oberforstmeister wohl selbst an einer Stätte seines Wirkens, in Tegel, kaum noch bekannt. Allerdings erinnern im Jagen 92 (nahe Mühlenweg) des Tegeler Forstes der höchste Baum Berlins, eine Lärche, sowie am Schwarzen Weg in Höhe der Halbinsel Reiherwerder ein Findling mit Inschrift an Friedrich August Ludwig von Burgsdorf. Der Lebensweg des Mannes, der erheblich zur Entwicklung der Forstwirtschaft in Preußen beitrug, soll in diesem Beitrag beschrieben werden.

Von Burgsdorf erblickte am 23.3.1747 in Leipzig das Licht der Welt. Sein Vater Gottlieb war Oberjägermeister zu Altenburg und besaß mehrere Rittergüter. Er starb bereits, als der Sohn gerade 7 Jahre alt war. Zur besseren Erziehung des Kindes zog die Mutter daraufhin nach Gotha. Friedrich August Ludwig war bereits von der Geburt an als Domherr in Naumburg bestimmt und eingeschrieben, sollte daher studieren und auf Reisen gehen. Doch während des 7-jährigen Krieges trat der Jugendliche mit 14 Jahren in französische Kriegsdienste, zeichnete sich hier aus, wurde aber verwundet und zurückgerufen. Drei Jahre Schulausbildung sollten nun künftige Studien vorbereiten. Doch von Burgsdorf floh zu seiner Schwester. Unter Verzicht auf den Domherrn verschrieb er sich dem Studieren und Jagen. Nun ging die Mutter auf das Denken des Sohnes ein und vermittelte ihm ab 1.2.1762 in Georgenthal/Thüringer Wald beim Förster Schramm eine Lehre in der Forst- und Jagdkunde. Gründliche und praktische Kenntnisse wurden durch Forstgeometrie und Naturgeschichte vervollständigt.

BurgsdorfIm April 1764 erkrankte von Burgsdorf an den Pocken. Im Winter dieses Jahres trat er am Hof zu Gotha einen Pagendienst an und wurde bald ältester Jagd- und Leibpage. Doch 1767 wurde ein anderer Page befördert. Der junge von Burgsdorf war verstimmt, nahm unbestimmten Urlaub und trat Reisen ins Ausland an. Wieder zurückgekehrt, erwarb er das Patent eines Gothaischen Hof- und Jagdjunkers. Bei einem Aufenthalt in Küstrin lernte er Friederike Sophie Grünrade kennen, mit der er sich verlobte. Doch noch immer fehlte eine Anstellung im Staatsdienst. So wandte sich von Burgsdorf unmittelbar an König Friedrich II., der ihn an den Obristen von Anhalt verwies. Dieser stellte seine vorzüglichen Kenntnisse fest und empfahl eine Anstellung bei Vakanz einer Stelle. Immer wieder wurden Bewerbungen abschlägig beschieden, weil zunächst freie Stellen bereits besetzt waren.

Am 25.6.1773 heiratete von Burgsdorf und erwarb das Gut Schaumburg/Oder. Später machte ihn sein Freund, der Kammerherr von Humboldt zu Gut Tegel aufmerksam, dass ein begüterter invalider Hauptmann von Ziegenhorn die Mittel- und Uckermärkische Forstratsstelle „mit nicht geringer Last“ bekleidet. Mit diesem wurde sich von Burgsdorf einig, gegen einen Abstand von 3500 Talern und Zusicherung einer jährlichen Pension von 500 Talern den Posten ab Winter 1777/78 zu übernehmen. Seine Majestät der König gewährte hierfür sogar Chargen- und Stempelgebührenfreiheit.

Nach fast 9 Jahren hatte von Burgsdorf sich damit eine Anstellung sowohl als Forstrat und Rechnungsführer von 14 Mittel- und Uckermärkischen Forstämtern wie auch als Oberförster des Heiligenseeschen Reviers, Forstamt Mühlenbeck, teuer erkauft.

Von Burgsdorf, jetzt in der Oberförsterei im Dorf Tegel wohnend, verkaufte der Entfernung wegen sein Gut Schaumburg. In Tegel legte er eine Nadelholzsamen-Darre an und ersann Hilfsmittel zur Bestimmung von Höhe und Stärke von Nutz- und Bauhölzern. Sein Handeln und seine Aufsätze machten ihn bekannter, so dass er am 11.6.1782 von der Gesellschaft Naturforschender Freunde als Mitglied aufgenommen wurde.

Mit Beifall wurde 1783 der erste Teil des „Versuchs einer vollständigen Geschichte vorzüglicher Holzarten“ mit 27 Kupferstichen aufgenommen. Die Zeichnungen hatte von Burgsdorf selbst gefertigt. Der Herausgabe folgte sogleich ein Auftrag, „übelbewirtschaftete“ Wälder der Kurmark zu bereisen und Abhilfe vorzuschlagen. Die Anschlagsumme von 458000 Talern bewilligte König Friedrich sofort.

Burgsdorf2Im Tegeler Forst hatte von Burgsdorf 1784-86 ein Lärchen-Kamp angelegt. Ein Magdeburger Morgen (ca. 2552 m2) kostete im Anbau über 30 Taler. Auch Eichen, Rüstern und Akazien wurden am Tegeler See und an der Straße nach Hamburg gepflanzt. Zudem gab von Burgsdorf jungen Forstleuten jeden Standes unentgeltlich Unterricht. Am 31.8.1784 starb kurz nach der Geburt des achten Kindes die Ehefrau. Am 19.1.1785 heiratete er die Schwägerin.

In den Folgejahren wurde von Burgsdorf durch Mitgliedschaft in weiteren Gesellschaften und Sozietäten geehrt. Der damalige Kronprinz, überzeugt von der Unwissenheit der im Jagd- und Forstwesen Tätigen, beauftragte den Obristen von Stein sowie von Burgsdorf, einen Plan für eine Forstakademie zu entwerfen. Tegel war zum Sitz und von Burgsdorf als Direktor der Anstalt vorgesehen. 1786 wurde dann zu Tegel bei Berlin „mit Königl. Vorbewußt und Genehmigung“ ein Holzsamen-Institut eingerichtet. En gros und en detail wurden nordamerikanische Holzsamen unter „richtigster“ Benennung sowie alle deutschen Forst- und Fruchtbaumsamen geliefert.

So kosteten „á Pfund 16 Gr. in Louis d´or zu 5 Rthlr.“ z. B. die schwarze runde Wallnuss oder die „virginische“ Traubenkirsche. Billiger war mit „á Pfund 1 Rthlr. 8 Gr. zuzüglich Fracht ab Tegel der rotblühende Ahorn.

Fast berühmt wurden „einförmige Holzsamenkisten“ mit 100 Sorten Inhalt. Sie kosteten 2 ½ Louis d´or. Ein dankbarer Käufer berichtete am 7.5.1787 im Hannoverischen Magazin, dass er bereits am 3.4. d. J. die Kiste erhielt mit „achtzigerlei Saamen und zwanzigerlei Stecklinge von Sorten, die sich durch Saamen nicht leicht fortpflanzen lassen“. Die Stecklinge blieben durch angefeuchtetes Moos frisch. Den Kisten wurden noch gratis Anleitungen zur sicheren „Erziehung“ und zweckmäßigen Anpflanzung der Holzarten beigefügt. In Nordamerika war extra ein „Sammlungs- und Speditionskomtoir mit den nöthigen Offizianten und geschickten Gehülfen“ eingerichtet. 1787 hatte von Burgsdorf in diesem Zusammenhang auf eigene Kosten den von ihm unterrichteten Jäger Rommels aus dem Gothaischen nach Nordamerika geschickt.

LärcheIndes wurde von Burgsdorf nach dem Tod Friedrichs II. Ende 1786 zwar Geheimer Forstrat, doch Graf von Arnim hintertrieb die Einrichtung einer Forstakademie in Tegel.
Auf speziellen Befehl verfasste von Burgsdorf ein Forsthandbuch, ein „Allgemeiner theoretisch-praktischer Lehrbegriff sämtlicher Försterwissenschaften; auf Seiner Königlichen Majestät von Preussen allerhöchsten Befehl“. Es war „Den Allerdurchlauchtigsten, Durchlauchtigsten auch Hochwürdigsten und Erlauchten Regenten des Deutschen Reiches; den Vätern des Vaterlandes zugeeignet: und Ihren Finanz-Direktionen gewidmet von einem deutschen Manne, vom Verfasser“. Das Buch diente den Forstbediensteten als Leitfaden; sie wurden nun durch von Burgsdorf selbst unterrichtet. Dafür erhielt er jährlich 500 Taler zusätzlich.

Ab 1.10.1789 wurde von Burgsdorf zum Mitglied der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin berufen. Er erhielt ein Gehalt, das schon bald erhöht wurde, sowie nun auch die Anwartschaft auf die Stelle seines ihm bisher vorgesetzten Oberforstmeisters von Schönfeld zugesprochen. Jetzt arbeitete er 4 Tage in Berlin, so dass er ganz dort wohnte. Die Oberförstergeschäfte  und die Baumzucht in Tegel erledigte fortan einer seiner Zöglinge.

Am 3.10.1791 beschenkte ihn Seine Majestät mit der evangelischen Präbende (lateinisch; Pfründe) im hohen Domkapitel zu Minden mit der Erlaubnis, diese „zu resigniren“ (aufzugeben). Dies tat von Burgsdorf, durfte aber den erhaltenen Orden weiter tragen. Eine besondere Ehre war es, als er am 5.1.1792 zum Mitglied der Königlich Preuß. Märkische ökonomische Societät zu Potsdam ernannt wurde. Nun wurde von Burgsdorf auch zum Oberforstmeister befördert. Freilich verlor er dadurch, solange sein Vorgänger von Schönfeld lebte, jährlich über 1600 Taler bei gleichzeitig mehr Arbeitsaufkommen. 1796 erschien der zweite Teil seines Forsthandbuches.

Am 14.3.1795 berichtete von Burgsdorf über eine 1783 in Tegel angelegte Akazien-Anlage folgendes:

Im Jahre 1783 machte ich eine Pflanzung von Acacien-Bäumen in den Tegelschen Forst. Die Stämme waren in dem untern Theile der Saamenschule aus Saamen erzogen, der im Frühling 1781 nach meiner Anleitung etc. gesäet worden ist.
Die mittlere Dicke der Stämme ist jetzt (1795) acht Pariser Zoll im Durchmesser, und die Höhe achtzehn bis ein und zwanzig Fuß. Der Boden ist sandig mit Dammerde, mehr trocken als frisch. Sie stehen in der Ebene gegen Norden, und haben Schutz von West, Südwest. Diese Stämme treiben in der Saamenschule im ersten Jahre bis auf vierzehn Fuß hoch. Der Winter 1781-1782 reduzirte sie auf 6 Fuß, und sie wurden im Frühling 1783, wie oben schon gesagt, von sieben bis acht Fuß hoch ausgepflanzet. Seit der Zeit haben sie nichts vom Froste gelitten. Die Rothhirsche haben viel abgeschlagen. Diese sind kurz über der Erde abgehauen worden, und schlugen gut aus. Der starke Wildprettstand hat sie aber nicht aufkommen lassen.
Ich besitze einen Bureau von Acacienholz. Es hat die Härte und Textur des Mahagonyholzes, eine dunkel goldgelbe Farbe und seidenhaften Glanz.

Forstgebäude

Als es 1797 in der Tegeler Oberförsterei spukte, rief von Burgsdorf die Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin zur Klärung des Ereignisses. Die Abbildung zeigt das nach 1806 neu errichtete Forstgebäude.

Im Jahre 1800 verdrängte von Burgsdorf gesundheitliche Warnzeichen wie Schwindelanfälle und „beständiges Sausen“ im Kopf. Arzneimittel wollte er nicht einnehmen wie auch auf berufliche Einschränkungen nicht eingehen. Am 15.1.1801 erlitt er einen Schlaganfall, war linksseitig ganz gelähmt und zunächst bewusstlos. Seinem Hausarzt verdankte er eine Besserung, dass er mit Hilfe eines Stockes wieder laufen konnte. Doch am 14.6.1802 stellte sich Fieber ein. Am 18.6.1802 verstarb Friedrich August Ludwig von Burgsdorf im Alter von nur 55 Jahren.

Bis in die heutige Zeit ist sein Wirken im Tegeler Forst z. B. durch sehr alte kräftige Buchenbestände zu erkennen. Vielleicht gibt es ja auch in den Parks von Charlottenburg und Sanssouci noch Bäume, die einst aus Tegel kamen.

Gerhard Völzmann
Mitglied des Förderkreises für Bildung, Kultur
und internationale Beziehungen Reinickendorf e.V.