Der Wetterbericht hatte für den 30.10.1873 für Berlin eine Temperatur von 2,2o Reaumur (etwa 3o Celsius), mäßigen Ostwind und einen „ganz heiteren“ Himmel angekündigt. Es sollte also ein der Jahreszeit entsprechender kühler, aber sonniger Tag werden. Als „Kaiserwetter“ bezeichneten die Berliner damals gern eine solche Wetterlage. Wie passend, denn an diesem Tag hatte der Kaiser vor, gleich zwei Ereignissen auf dem Tegeler Schießplatz beizuwohnen.

Bereits um 10 Uhr vormittags hatte Kaiser Wilhelm (I.) zusammen mit dem Kronprinzen und den Prinzen Karl und Friedrich Karl Berlin in Richtung Tegel verlassen. Auf dem dortigen Artillerie-Schießplatz war eine Vorführung neuer Feldgeschütze vorgesehen. Sie wurde von der Artillerie-Prüfungskommission ausgeführt. Neben vielen Generälen und Offizieren hatten sich auch die Feldmarschälle Wrangel und Moltke eingefunden. Zudem waren Angehörige von Gefallenen des deutsch-französischen Krieges (1870/71) geladen.
Insbesondere für die zuletzt genannte Personengruppe war die anschließend folgende Veranstaltung von großer Bedeutung. Es wurde nämlich ein von den Offizieren der Garde-Artillerie errichtetes Denkmal für ihre „im letzten Krieg“ gefallenen Offiziere und Mannschaften feierlich eingeweiht. Hierzu hatten sich gegen 12 Uhr mittags der Kaiser und „die höchsten Herrschaften“ unter einen eigens für die Veranstaltung aufgestellten Baldachin begeben. Zu Beginn der Feierlichkeit erklang der Choral „ Sei Lob und Ehr´ dem höchsten Gut“ durch die vereinigten Musikcorps der Garde-Artillerie-Regimenter. Die anschließende Festrede hielt dann der Hof- und Garnisonspfarrer Frommel. Dabei nahm er jenen Text zum Anlass der Rede, der auf dem Sockel des einzuweihenden Denkmals mit folgenden Worten stand: „Gott die Ehre, den Gefallenen zum Gedächtniß, den Hinterbliebenen ein Trost, den kommenden Geschlechtern zur Mahnung“.

Die Lage des Denkmals auf einem Plan von 1884

Zum Schluss der Rede blieb es dem Kaiser vorbehalten, das Zeichen zur Enthüllung des Denkmals zu geben. Die Kaiserhymne „Heil Dir im Siegerkranz“ erklang, Salutschüsse wurden, wie bei solchen Anlässen üblich, abgefeuert und Hurra-Rufe der Militärs waren zu hören. Die Feierlichkeit endete mit dem Choral „Nun danket alle Gott“.
Nun nahm der Kaiser zusammen mit den Prinzen auf dem Festplatz ein Frühstück ein, zu dem auch die anwesenden Offiziere und Geistlichkeiten eine Einladung erhalten hatten. Um 14 Uhr verließen der Kaiser und sein Gefolge den Schießplatz.

Das Denkmal befand sich auf dem Areal gegenüber dem Empfangsgebäude. Es bestand aus einer 40 Fuß (1 preuß. Fuß = 31,385 cm) hohen Säule, die wiederum auf einem viereckigen Sockel ruhte. Oberhalb der Säule krönte ein preußischer Adler das Denkmal. Zusätzlich zu dem bereits oben angegebenen Text auf dem Sockel waren hier auch die Namen der gefallenen Offiziere und Mannschaften aufgeführt. Die Säule wurde zudem von zwei Bändern umschlungen, auf denen die Namen aller Schlachten standen, an denen die Garde-Artillerie beteiligt war.

Der 30.10.1873 war ein sonniger, aber recht kühler Tag, wie ja bereits einleitend erwähnt. Trotzdem trug Kaiser Wilhelm auf dem Schießplatz keinen Mantel, hatte zudem zeitweise das Haupt entblößt. Das sollte Folgen haben. Er zog sich eine heftige Erkältung zu, musste das Bett hüten, konnte das Schloss nicht verlassen. So war es ihm auch nicht möglich, an der Trauerfeierlichkeit für den am 29.10. in Pillnitz verstorbenen König Johann (König von Sachsen) teilzunehmen. An seiner Stelle begab sich der Kronprinz nach Dresden.
Wenn auch „die Hebung des Unwohlseins“ Fortschritte machte, so musste er zudem seine nachfolgend geplante Teilnahme an den großen Hofjagden in der Letzlinger Forst (bei Gardelegen / Altmark) absagen.

Gerhard Völzmann