MS Reinickendorf

Nachdem in den vergangenen Ausgaben des Blickpunkt Tegel die Schiffe der Stern und Kreisschiffahrt, die Feengrotte und die Berlin vorgestellt wurden, folgt nun das letzte der sechs, aktuell auf dem See eingesetzten Schiffe, die ab der Greenwichpromenade ihre Fahrt anbieten.

Der neu erbaute Schleppdampfer Werner vor der Wiemannwerft in Brandenburg. Das Werkstattgebäude ist heute noch erhalten, dient aber nicht mehr dem Schiffbau.

Mit dem Schiff Reinickendorf wird auch ein sehr interessantes Schiff vorgestellt, das einmal als Schleppdampfer sein Schiffsleben begann. Als Werner wurde das Schiff 1914 auf der Wiemann Werft, der wohl bekanntesten Schiffswerft Brandenburgs unter der Bau Nr. 185 als Schleppdampfer erbaut. Mit einer Länge von 31,92 m gehörte es zu den großen seiner Gattung. Eine 3 Zylinder Dampfmaschine mit einer Leistung von 175 PS gab dem 5,87 m breiten Schiff den Antrieb.

Der erste Eigner des Schiffes war Heinrich Kanter aus Berlin –Neukölln. Das Fahrgebiet war aber nicht Berlin, sondern die Elbe, wo der große Schlepper mit seinem jeweiligen Anhang von Magdeburg bis Hamburg in Fahrt war. Folgerichtig wechselte der Werner dann auch sein Heimatort und Eigner. Ab 1915 gehörte das Schiff zur bekannten Magdeburger Reederei Julius Krümling. Eine Namensänderung, wahrscheinlich des Krieges wegen, folgte erst 1918. Bis 1930 war das nun Tirpitz genannte Schiff bei der Reederei, die ab 1925 unter Reederei AG, vormals J. Krümling, Magdeburg firmierte. 1930 waren nacheinander Ernst Runge aus Hamburg und die NNVE (Neue Norddeutsche und Vereinigte Elbschiffahrtsgesellschaft, Hamburg/ Dresden) die Eigner des Schleppers, bevor er 1931 von Franz Betzin aus Zerpenschleuse erworben wurde. Nun war es Berlin näher gekommen, aber Fahrgäste transportierte es deshalb noch nicht. Erst kurz vor Ausbruch des 2. Weltkrieges wurde das Schiff, leicht umgerüstet, auch aushilfsweise als Fahrgastschiff eingesetzt. Nach dem Krieg 1946 wurde der Schlepper, der als solcher nun nicht mehr gebraucht wurde, zum Fahrgastdampfer umgebaut. Die Schleppeinrichtungen wurden abgebaut und an Bord mehr Platz geschaffen. Mit seinen neuen Aufbauten war es nicht mehr als Schlepper zu erkennen.

Die Rheingold um 1953 in Charlottenburg.

Als Rheingold kam das Schiff 1947 dann in Fahrt. Eine großartige Ausflugsschifffahrt gab es so kurz nach dem Krieg noch nicht, aber Einsatzmöglichkeiten gab es dennoch. Mit Hamsterfahrten mit dem Schiff, die als Entlastung der Bahn durchgeführt wurden und öffentlichen Aufträgen wie der BVG Schifffahrt auf dem Wannsee ließ sich der Rheingold einsetzen. Seine Hauptabfahrtstelle befand sich zuerst am Amtsgericht Charlottenburg, wo heute das Motorschiff Kreuz As liegt. Bis mindestens 1953 machte der Rheingold ab Schlossbrücke mit bis zu 300 Fahrgästen seine Rundfahrten zur Pfaueninsel. Ab Mitte der fünfziger Jahre wurde das Schiff nicht mehr eingesetzt. So konnte Walter Haupt, der auf Hasselwerder wohnte, das Schiff erwerben. Da der Salon sehr niedrig war, sah der Dampfer in seinen Proportionen noch größer aus als er tatsächlich war. Durch einen Umbau konnte er etwas geräumiger werden. Die Salonhöhe war nicht der einzige Grund für den Umbau. Aus dem Dampfer wurde ein Motorschiff. Mit einem Sonnendeck und mit einem Fassungsvermögen von 450 Fahrgästen, kam es 1958 als MS See-Haupt wieder in Fahrt. Die Anregung für den Namen brachte Walter Haupt von einer Reise nach Bayern mit, als er das 1955 neu erbaute Motorschiff Seeshaupt auf dem Starnberger See sah. Ohne „s“ hinter dem See wurde ein kleines Wortspiel daraus. Bis 1968 war Haupt „der Admiral vom Tegeler See“ mit dem Schiff verbunden, dann bildete es den Grundstock der Reederei Bethke von Gertrud und Mathias Bethke, die die See-Haupt vom Vater Gertrud Bethkes erwarben. 1973 bekam es nach einem kleinen Umbau den Namen Reinickendorf und 1979 einen neuen Eigner. Nun war Alfred Turczer der neue Eigner, er unterzog das Schiff einer Verjüngungskur (Umbau Kastenheck) und setzte es auf den bisherigen Kurs in enger Zusammenarbeit mit der Reederei Bethke ein. Mathias Bethke, Alfred Turczer und der Gastwirt Peter Dannenberg gründeten 1984 die Tegel-Heilgenseer Personenschiffahrtsgesellschaft b.R. zu deren Gründungsinitiatoren noch Günter Taube gehörte, der aber an der Gründung nicht mehr teilnahm. Diese Firma bestand kurze Zeit. Nach einem weiteren Umbau veränderte das Motorschiff sein Aussehen erheblich. Neben dem runden Heck verschwand nun auch der schöne gerade Wiemannsteven (Bug).

Oben: Nach dem zuerst das runde Heck gegen ein Kastenheck ausgetauscht wurde bekam das Schiff auch einen neuen Bug. So sieht das Schiff heute aus. Unten: 1966 als Motorschiff See-Haupt, deutlich erkennbar der gerade Bug

Mit der neuen Erscheinung sollte die Reinickendorf modern aussehen, schade eigentlich. Seit 1988 gehört das Schiff wieder zur Reederei Bethke. Ab nun war es bei allen Mitgliedern der Familie Bethke in Fahrt, so 1991-1996 Reederei Bethke, 1997 Reederei G. Bethke, Reederei G. Bethke/ Prause/ Unger, Reederei Unger, 1998-1999 Reederei Unger, 2001-2002 Reederei M. Bethke/ Prause, 2003-2006 Reederei Mathias Bethke, 2007 Reederei M. und S. Bethke, 2010 Reederei Simone Prause. 2017 wurde des Schiff von Mathias Bethke gesteuert, der übrigens 1990 Vereinsmitglied und Förderer Sport-Club Tegel 1919 e.V. war. Neben seiner Karriere als Schleppdampfer, einem reinen „Arbeitsleben“ und als Fahrgastschiff erlebt so ein Schiff auch sonst so einiges. So trieb es 1977 führerlos auf dem See, Grund dafür war grober Unfug, als das Schiff losgemacht wurde. Ärgerlicher war eine Grundberührung vor der Lieper Bucht. Erst nach 17 Stunden konnte das Schiff nur mit Hilfe der „Hanseatic“ der Reederei Winkler und einem Feuerlöschboot wieder flott gemacht werden. Eine Massenkeilerei war 2012 zu überstehen, als eine Person mit Kreislaufproblemen am Anleger Friederickestraße dem Arzt übergeben werden sollte. Von den 160 Fahrgästen an Bord fingen um die 80 eine Rangelei an, ein Mann fiel ins Wasser und wurde von der DLRG gerettet. Neun Verletzte und eine Festnahme war das Resultat, den übrigen Fahrgästen wurde die Weiterfahrt untersagt. Das alles geschah um 0 Uhr 45 während einer Charterfahrt. Auf den fahrplanmäßigen Fahrten geht es aber immer ruhiger zu. Vielleicht werden Sie im neuen Jahr auch mal Fahrgast auf der Reinickendorf, nun für 199 Personen zugelassen, ein Schiff, das dann 104 Jahre alt wird.