Paris, ein Wal und der Wilde Westen auf dem Tegeler See

Während die großen Westberliner Reedereien sich heute auf die sehr lukrative Innenstadt konzentrieren, hat die Stern und Kreisschiffahrt alle ihre Fahrgebiete beibehalten, ja sogar vergrößert, denn nach 1990 kamen auch die ehemals vor dem Krieg betreuten Linien nach Potsdam und den Ostberliner Gewässern hinzu. Die meisten Schiffe setzt die Reederei zwar in der Berliner Innenstadt ein. Diese Schiffe müssen für diese engen und durch Brücken in der Höhe begrenzten Gewässer geeignet sein. Durch Umbauten und Neubauten bzw. Übernahme der Schiffe der Weißen Flotte Berlin (Ost), ist die Reederei in der Lage sich diesen neuen Bedingungen zu stellen. Alle für die Innenstadt geeigneten Schiffe wurden, bis auf die auf dem Wannsee verkehrenden, in der Innenstadt eingesetzt. Dem Tegeler See wurden von der Stern und Kreisschiffahrt aber besondere Schiffe zugeteilt.
Die drei heute von der Stern und Kreisschiffahrt auf dem Tegeler See eingesetzten Schiffe Havelstern, Moby Dick und Havelqueen zeigen den schiffbaulichen Höhepunkt der Reederei. Ursprünglich unter völlig anderen Bedingungen geplant und gebaut, repräsentieren sie heute die Vorstellungen des alten West- Berlin. Damals entwickelte sich die Fahrgastschifffahrt hauptsächlich in Richtung der Größe. Die attraktivsten Gewässer waren die Havel mit dem Tegeler See und dem Wannsee. Die Größe der Schiffe wurde eigentlich nur durch die Spandauer Schleuse vorgegeben. Brückendurchfahrten mussten nicht berücksichtigt werden. Dem ersten modernen Salonschiff nach dem Krieg, der 1957 erbauten Ernst Reuter, folgten weitere, immer größer werdende Schiffe. Der erste Höhepunkt dieser Entwicklung war die imposante Havelstern. Mit dem einem Wal nachempfundenen Moby Dick wurde zwar nicht die Größe gesprengt, dafür aber Schiffsform. Wie ein bisher bekanntes Schiff sah die Moby Dick nun wahrhaftig nicht aus. Auch mit der Havelstern, dem nun größtem Schiff der Reederei wurden neue Wege gegangen, denn mit dem einem Mississippiraddampfer nachempfundenen Schiff, wurde der Weg den man beim Moby Dick ging weiter begangen.
Alle drei Schiffe wurden, als sie neu erbaut wurden, ausführlich in der Presse gewürdigt. Alle drei waren etwas Besonderes. Gebaut wurden sie für die längste und beliebteste Linie West- Berlins, der großen Havelrundfahrt von Tegel bis zum Wannsee.
Zu Rundfahrten ab Tegel auf der Oberhavel gibt es sechs Abfahrten täglich, aber auch Lehnitz, Potsdam/Werder und die City werden von der Reederei mit zusammen 5 Fahrten täglich angesteuert. Vom neuen Fahrplan der Stern und Kreisschiffahrt wird man bestens informiert.

Havelstern
Die Havelstern war mit einer Länge von 62,5 m Länge, das bis dahin größte Schiff in Westberlin und so wurde er auch hauptsächlich auf der großen Havelrundfahrt eingesetzt. Sein Aussehen verdankte er den Pariser Rundfahrtschiffen der Reederei Bateaux Mouches, als Konstrukteur zeichnete A. Neesen aus Berlin- Steglitz. Für das als „63m Neubau“ bezeichnete Schiff, musste natürlich auch ein Name gefunden werden. Hier wurde die Öffentlichkeit eingeschaltet, natürlich war dies auch ein Werbegag. Am 8.5. 1969 war es dann soweit, von der Namenkampagne, mit Hilfe einer großen Berliner Tageszeitung bekam das Schiff den Namen „Havelstern“. Ein das gesamte Vorschiff in Anspruch nehmender Panoramasalon gab dem Schiff nun ein futuristisches Aussehen. Ein vierzig Meter langes Sonnendeck bescherte dem Schiff viele Außenplätze. Angetrieben wird das 62,48 m lange und 8,23 m breite Schiff durch zwei Schottelpropeller, 850 Fahrgäste fanden auf dem Havelstern Platz. Die Bauwerft war die Mindener Werft Büsching & Rosemeyer. Das Schiff wirkt auch heute noch modern, ist dabei aber nicht mehr der Jüngste, im nächsten Jahr 2018 wird er fünfzig. Für die Innenstadt nur ohne Oberdeck einsetzbar, wurde das Schiff durch die politischen und wirtschaftlichen Veränderungen die die „Wende“ mit sich brachte, auf der Oberhavel und besonders dem Tegeler See eingesetzt.

Moby Dick
Wurde mit dem Havelstern den Berlinern ein besonderes Schiff beschert, toppte das neue Schiff dieses noch. Als 48m – Fahrgastschiff für Berlin recht nüchtern angekündigt, kam dann ein etwas ganz besonderes Schiff zu Wasser. Es wurde auch in Minden auf der Werft Büsching & Rosemeyer erbaut. Um neue Wege zu gehen, den Fahrgästen etwas besonderes zu bieten, wurde den Berlinern ein Walfisch präsentiert. Entworfen wurde der „Wal“ vom Dipl. Ing. A. Neesen. Mit Walfischmaul und Flosse, silbergrau und Schwarz, so etwas gab es in Berlin noch nicht. Die besonders gediegene Innenausstattung wurde vom Innenarchitekt Jo Filke aus Bremerhaven entworfen. Bei der ersten Vorstellung eines Neubaus in der Presse war vom Wal noch nicht die Rede, um so erstaunter waren die Interessierten als das Schiff zum ersten Male sahen. Am 2.5. 1973 kam es in Fahrt. Ein besonderes Ereignis war im Juni 1999 die „Spritztour“ nach Hamburg zum Hafengeburtstag, als das Schiff als Botschafter Berlins dort eine der Attraktionen war.
Ein weniger erfreuliches Ereignis fand am 5.6.1993 statt. Auf dem Lehnitzsee aus der Fahrrinne geraten, strandete es bei einer Mondscheinfahrt, nahe des Strandbades. Die 144 Fahrgäste wurden von 2 Booten der Wasserpolizei an Land gebracht. Untergehen konnte das Schiff nicht, aber Übernachten wäre auch nicht das Wahre. Die Bergung gestaltete sich schwierig, da es möglicherweise in Form von Bomben noch einige „Andenken“ an den 2. Weltkrieg im Lehnitzsee gab. Sechs Tage nach der Strandung konnte das Schiff dann wieder flott gemacht werden, die Schäden waren zum Glück gering. Am 16.6. konnte der Wal wieder eingesetzt werden.
Dem Trend der Zeit entsprechend fanden Überlegungen statt, das attraktive Schiff auch in der Innenstadt einzusetzen. In der Innenstadt eingesetzt, es wurden mehrere Versuchsfahrten gemacht, könnte es nur bis zum Bahnhof Friedrichstraße kommen. Bei einer Probefahrt am 5.11 1998 wurde die Weidendammer Brücke gerammt, dadurch entschied man sich, das Schiff nur noch in Tegel einzusetzen. Diese Entscheidung, das Schiff weiter in den alten Fahrgebieten einzusetzen, war aber auch aus anderen Gründen vernünftig. Nicht nur die Höhe des Schiffes, auch die Gestaltung der Fenster wäre ein Problem. Die beste Sicht hatte nach vorn, für die Sightseeing Aufgaben in der Innenstadt wäre diese Anordnung bestimmt nicht vorteilhaft und Umbauten in dieser Hinsicht würden das Schiff seiner Einzigartigkeit berauben. Die attraktivere Strecke bis zur Schleuse, vom Landwehrkanal ganz zu schweigen, könnte der Wal (das Schiff) nicht befahren, sehr wichtig. So blieb für Moby Dick immer noch der Tegeler See übrig, natürliche wäre es auch auf dem Wannsee einzusetzen, welch ein Glück für Tegel.
1999 im November wurde es als Restaurant an der Weidendammer Brücke stationiert, sonst war es aber weiter in/ab Tegel in Fahrt. Der Moby Dick ist nicht der einzige Wal in Deutschland, auch in Bonn gibt es einen, der schönste ist aber auf jeden Fall der Berliner (Tegeler) Wal.

Havelqueen
Kein Wal, kein Pariser Flair aber doch zum hundertsten Geburtstag der Reederei etwas Besonderes. Um den Fahrgästen und  Kunden der Reederei ein außergewöhnlichen Publikumsmagnet
zu bieten, wollte man sich etwas einfallen lassen. Das neue Schiff sollte noch größer werden, als alles was es bisher gab. Bei einer Länge von 67 Meter und einer Breite von 9 Meter, konnte es bis 700 Personen Platz bieten. Etwas Besonderes sollte auch die Nutzung sein, für Kongresse, Modeschauen, Konzerte und ähnliche Veranstaltungen, sollte das Schiff eine Attraktion werden. Am 11.5.1987 konnte das auf der Berliner Werft DIW in Spandau gebaute Schiff von den Berlinern bestaunt werden. Bei der Namengebung nutzte man, wie bei anderen den großen Schiffen, vorher die werbewirksame Beteiligung der Öffentlichkeit. Die Schiffstaufe wurde von der Frau des damals Regierenden Bürgermeisters Monika Diepgen vollzogen, die Sektflasche, die erst beim fünften Versuch zerschellte, brachte dem Schiff aber kein Unglück. Aus den um die 150 Namensvorschlägen, die der Berliner Morgenpost zugingen, wurde der Name „Havelqueen“ ausgesucht. Da das neue Schiff einem Mississippi- Raddampfer nachempfunden wurde, war es auch ein passender Name, denn aus den USA war der Name Mississippi Queen für ein Schiff bekannt, dann kann es in Berlin auch eine Havel Queen geben. Angetrieben wird das Schiff aber nicht von den Seitenrädern, sondern von zwei Ruderpropeller. Die beiden Seitenräder werden, damit es echt aussieht von einem Elektromotor angetrieben, sind aber für das Vorwärtskommen des Schiffes nicht von Bedeutung. Die beiden Schornsteinattrappen sind umlegbar und das imposante Steuerhaus versenkbar, damit konnte das Schiff alle für 1987, also drei Jahre vor der „Wende“, relevanten Westberliner Strecken befahren. Die Idee ein solches Schiff zu bauen stammt übrigens von einem Berliner Politiker, der nach einem USA Besuch, ein solches Schiff als besondere Geste für die Amerikanischen Gastgebern sehen würde. Wäre der Bau drei bis vier Jahre später bewilligt worden, als Grund kann man den hundertsten Geburtstag der Reederei ansehen, wäre ein so hohes Schiff niemals in Fahrt gekommen.

Autor/Bilder: Manfred Bluhm