Für 250 Mio. Euro schöner einkaufen in Tegel

Aus IZ31/2016, S. 24 von Gerda Gericke
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Berlin. Das tüchtig in die Jahre gekommene Te­gel Center und das alte Hertie-Haus daneben werden in den kommenden Jahren für 250 Mio. Euro von Grund auf saniert. Seine Finger im Spiel hat, wie bei großen Einzelhandelsentwicklungen in der deutschen Hauptstadt mittlerweile üblich, Berlins Shoppingcenter-König Harald Gerome Huth. Gleichberechtigter Partner ist diesmal der junge Architekt und Kaufmann Sascha Maruhn.

Im Dezember 2015 hat das Duo das Anfang der 1970er Jahre gebaute Te­gel Center und das seit 2009 leer stehende ehemalige Warenhaus im nördlichen Bezirk Reinickendorf gekauft. Der Sohn des Immobilienunternehmers Detlef Maruhn, in Berlin bekannt durch die Entwicklung des gewerblichen Teils des Hauses Cumberland am Kurfürstendamm, mit seiner Maruhn Real Estate Investment (MREI) und der finanzstarke Familienunternehmer Huth mit seiner HGHI Holding wollen für 250 Mio. Euro (Ankauf plus Sanierung) die angestaubte Fußgängerzone Gorkistraße gründlich entstauben.

Huth ist bekannt für dicke Einkaufsbrocken. Die Mall of Berlin, Berlins zweitgrößtes Einkaufszentrum, und Das Schloss im Stadtteil Steglitz sind fertig, das Schultheiss Quartier in Moabit befindet sich im Bau und ein riesiges Einkaufszentrum am Kurfürstendamm ist in der Pipeline.

In die Fußgängermeile Gorkistraße 2-21 will das Duo aber keinen Einkaufsklotz stellen. Stattdessen lautet der Plan: Stadtreparatur. Mit dem Te­gel Quartier getauften Vorhaben sollen die monotonen 70er-Jahre-Fassaden auf einer Länge von rund 500 m neu gegliedert werden. Die Einzelhandelsfläche von rund 35.000 m2 wird auf 50.000 m2 gesteigert. Dazu soll das Te­gel Center aufgestockt werden. Auf der einen Straßenseite beträgt die Gebäudehöhe vier Etagen, auf der anderen nur zwei. Hier ist eine Anpassung ins Auge gefasst. Ferner wird das reichlich marode Parkhaus teilweise abgerissen. Die Zahl der Stellplätze soll von 900 auf 600 sinken. Durch Neubauten an dieser Stelle kann die Verkaufsfläche ebenfalls kräftig wachsen.

Die Brücke zwischen beiden Gebäudeteilen des Centers wird vermutlich neu gestaltet. Ob das alte Hertie-Haus ein weiteres Geschoss erhält, ist noch offen. Fest steht dagegen: Das Bezirksamt Reinickendorf, das heute im Te­gel Center zusammen mit anderen Büromietern 10.000 m2 Fläche nutzt, wird bleiben.

Mit den Planungen haben die Partner die bekannten Architekten Max Dudler (Schweiz) und das Berliner Büro Ortner & Ortner beauftragt. Ihr Job war es, die langweiligen Fassaden von Center und Hertie aufzubrechen und den Anschein von vielen kleinen Häuschen zu schaffen.

Denn Umgestaltung tut Not. Seit Schließung des Hertie-Hauses im Jahr 2009 hat der Standort einen der wichtigsten Anziehungspunkte verloren. Von da an ging es mit der Meile stetig bergab. Heute verlaufen sich hierher pro Geschäftstag etwa 15.000 Menschen. In der teilweise mit kleinen hübschen Häusern bebauten Straße ist die „Rollatordichte“, wie eine Berliner Zeitung schrieb, recht hoch. Tchibo, Blume 2000 und Discounter Ernsting’s family bedienen die Nachfrage. Das Einkaufszentrum selbst wirkt eng, bedrückend, muffig, verschachtelt. Der Anteil von Nagelstudios ist hoch, Bäcker, Drogist, billige Taschenläden bestimmen das Bild.

Huth und Maruhn wollen das Aufkommen verdoppeln. Gleichzeitig haben sie den Wunsch, dass auch jüngere Kundschaft die Läden füllt. Dazu beitragen soll die gut besuchte Markthalle mit ihren 50 Händlern, die das Duo halten will. Maruhn will dem Nahversorger nach dem Umbau mehr Platz für Feinkost und Gastronomie bieten. Ein Fitness-Center und kulturelle Angebote könnten den Standort beleben. Im Handelsindex des Berliner Maklers Grupe, der regelmäßig 63 Berliner Einkaufsstraßen unter die Lupe nimmt, wird die Gorkistraße mit einem Filialisierungsgrad von 79% als Ia-Lage geführt. Die Mieten von 50 Euro/m2 werden für Läden zwischen 80 und 120 m2 Größe gezahlt. 300 bis 500 m2 große Einheiten kosten rund 25 Euro/m2.

Mit dem Bauen beginnen will die von Huth und Maruhn gegründete Te­gel Quartier GmbH im Januar 2017, wie es auf Nachfrage heißt. In diesem Sommer wollen die Bauherren den Bauantrag beim Bezirksamt Reinickendorf einreichen. Der von Huth zu Beginn des Jahres genannte Termin Mitte 2016 ist obsolet. Im Januar 2016 erstmals vorgestellte erste Planungen seien laut Huth „komplett überarbeitet“ worden.

Schwung verleiht den beiden Investoren, dass Karstadt bei ihnen einen Mietvertrag unterschrieben hat. Das Warenhaus hat 8.800 m2 Verkaufsfläche auf vier Etagen im zukünftigen Te­gel Quartier gemietet. Ob das Essener Warenhaus in das alte Hertie-Haus zieht, – die Marke gehörte von den 1930er Jahren bis 2006 zum Konzern -, ist noch offen. Die Eröffnung ist für 2018 oder 2019 vorgesehen. Mit der ersten neuen Filiale seit stolzen 30 Jahren will Karstadt in Te­gel „den Standard für ein ganz neues Einkaufen schaffen“. Huth und Karstadt arbeiten auch am Kurfürstendamm zusammen. Gemeinsam mit der Signa-Gruppe von Karstadt-Investor René Benko will Huth, ebenfalls bis 2019, die Mall of Ku‘damm mit dem dortigen Karstadt als Ankermieter bauen.

In Te­gel ist ferner der Bau von 50 Mietwohnungen mit 5.000 m2 Wohnfläche geplant. Denn klar verabredet haben die Partner: Nach dem millionenschweren Umbau bis in das Jahr 2019 hinein wollen sie ihr gemeinsames Kind auf jeden Fall behalten.

Text: Gerda Gericke